Irgendwie muss man ja verhüten wenn man als junges verliebtes Paar zumindest vorerst eher an der Trainingskarriere als an der Familienplanung arbeiten möchte. Die Frage ist nur wie man dies am besten bewerkstelligt. Einerseits soll es so sicher wie möglich sein, andererseits sollte sich der Aufwand in Grenzen halten. In den meisten Fällen treffen Frauenärzte auch heute noch die Entscheidung für deren Patientinnen und verschreiben die Anti-Baby-Pille (alias Kontrazeptiva). In der Fitness-Szene genießt diese Art der Verhütung eher ein Schattendasein und einen zweifelhaften Ruf. Man befürchtet, dass das Spiel mit Hormonen für Frauen eine Hürde bei der Gewichtsabnahme darstellt und sich sogar kontraproduktiv auf die Leistungserbringung auswirken kann. Sehen wir uns aus diesem Grund heute einmal ein paar Studien zu diesem Thema an.
Die Anti-Baby-Pille
Mit dem Einsatz der Pille meint der Volksmund eine Art der hormonellen Verhütung, für welche mitunter Östrogene und Gestagene eingesetzt werden, allerdings in einer synthetischen und abgeschwächten Form. Pille ist bei weitem nicht gleich Pille. Unzählige Arten und Ausführungen unterscheiden sich nicht nur in der Zusammensetzung, sondern auch in der Stärke der enthaltenen Substanzen. Gerne verwendet werden sog. Mikropillen. Es handelt sich dabei um ein Kombinationspräparat welches den Eisprung verhindert und zudem den Spermien den Weg in die Gebärmutter erschwert. Bei sog. Minipillen verlässt man sich rein auf Gestagene und deren Wirkung auf die die Gebärmutterschleimhaut. Die sog. neue Minipille verhindert im Gegensatz dazu ebenfalls den Eisprung.
Die Sicherheit der Anti-Baby-Pille wird nach dem sog. Pearl-Index bewertet. Er gibt an, wie viele von 100 Frauen im statistischen Mittel trotz des Einsatzes des jeweiligen Präparats über ein Jahr hinweg schwanger werden. Je höher der Peal-Index, desto höher die Wahrscheinlichkeit auf eine Schwangerschaft. In Hinblick auf oben genannte Präparate hat die Mini-Pille den höchsten Pearl-Index, gefolgt von der neuen Minipille und der Mikropille als sicherste Form.
Fazit
Pille ist nicht gleich Pille. Unzählige Ausführungen machen es nahezu unmöglich sich eindeutig zu diesem Thema zu positionieren.
Erschwerte Gewichtskontrolle mit Anti-Baby-Pille?
Unter dem Titel „The long-term influence of combined oral contraceptives on body weight” (1) wurde 2011 der Einfluss kombinierter Kontrazeptiva auf langfristige Gewichtsveränderungen untersucht. Auf gut deutsch ging es darum, inwieweit die Pille daran schuld sein kann das Frauen zunehmen oder nicht abnehmen. Die 19-jährigen Probandinnen wurden über mehrere Jahre beobachtet und mussten ihre Lebensgewohnheiten via Fragebogen in regelmäßigen Abständen an die Forschungsstätte übersenden. Im Ergebnis zeigte sich ein Zusammenhang zwischen höherem Körpergewicht und dem Fortschreiten des Alters sowie geringerem Körpergewicht und Rauchen, nicht aber mit Einnahme der Pille. Casazza et al (2) untersuchten in einer weiteren Studie den Einfluss oraler Kontrazeptiva auf die Leistungsfähigkeit trainierter Frauen. Zwar stellten sie nur leicht reduzierte Werte bei VO2max (der maximalen Sauerstoffaufnahme) fest, was sich aber signifikant nach oben veränderte, waren zum einen das Körpergewicht und zum anderen der Anteil an Fettmasse der verhütenden Probandinnen.
Die wohl neueste Arbeit zu diesem Thema (3) stammt vom Institute for Quality and Efficiency in Health Care. Sie äußerst sich alles andere als klar. Die Rede ist von widersprüchlichen Ergebnissen aus klinischen Studien. Es wurden bereits Gewichtsabnehmen und Gewichtszunahmen unter Verabreichung von Kontrazeptiva dokumentiert. Weiter ist es schwierig zu sagen, inwieweit es sich bei „Gewicht“ um Fettmasse, Wasser oder Muskelmasse gehandelt hat welches entweder zu- oder abgenommen wurde. Mitunter aus diesem Grund findet sich in Packungsbeilagen von Kontrazeptiva bis heute meist der Verweis dass es entweder zu Gewichtsabnahme oder aber Gewichtszunahme im Rahmen der Verwendung kommen kann. Nach Sichtung von 45 Studien mit verschiedensten Arten von Kontrazeptiva kommen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass es ehre unwahrscheinlich ist durch hormonelle Verhütung eine stärkere Gewichtszunahme zu erleiden. Betont wird aber das es in Einzelfällen sehr wohl dazu kommen kann.
Abschließend hierzu noch ein Auszug aus Lyle Mc Donalds „The WomensBook“
“ Even in the absence of true or even significant weight gain a worsening of body composition is never good and I’ll only conclude by saying that, on average, the overall effect of most forms of BC (Birth Control) on body weight appears to be mild at best.“
„Just as with weight gain, it may also be that BC impacts women differently in terms of their ability to lose weight.“
Fazit
Zu behaupten „jede Frau die hormonell verhütet werde dadurch dick und könne nur schlecht abnehmen“ stellt zum aktuellen Zeitpunkt eine klare Falschaussage da. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, die Chance ist aber dennoch gegeben. Genauer kann man es derzeit guten Gewissens nicht benennen.
Anti-Baby-Pille ein Leistungsblocker?
2009 erschien ein umfassender Bericht von Rechichi et al (6). Hier ist einerseits die Rede von Veränderungen der aeroben und anaeroben Leistung im Rahmen eines Kontrazeptiva-Zyklus andererseits aber auch von stark widersprüchlicher Literatur die sich auf unterschiedliche Präparate, unterschiedlicher Definition der Zyklusphasen, zu geringer Stichprobengröße sowie unterschiedlichen Belastungsprotokollen begründet.
Eine Studie aus 2013 (4) kommt zu dem Ergebnis dass orale Kontrazeptiva keinen signifikanten Einfluss auf die Ausdauerleistung ausüben. So wurden zwar signifikante Veränderungen bei Spitzenleistungswerten festgestellt, die aber im Rahmen eines Trainings an der anaeroben Schwelle keine Veränderungen der Ausdauerleistung im Langzeittest bewirkten. 2008 testeten Rechichi et al (5) den Einsatz der Pille im direkten Vergleich mit nicht hormoneller Verhütung an aktiven Radfahrerinnen oder Triathletinnen. In dieser Untersuchung wurde neben Leistungsmarkern wie VO2max, der Herzfrequenz, Werten bei Blutlaktat sowie Blutzucker und dem RER (Verhältnis zwischen eingeatmetem Sauerstoff und ausgeatmeten CO2) auch das subjektive Belastungsempfinden untersucht. Unterm Strich ergaben sich trotz einiger physiologischer Veränderungen keine Einschränkungen der Ausdauerleistung. Elliot et al (6) untersuchten an 21 Probandinnen inwieweit die Anti-Baby-Pille Einfluss auf Maximalkraftwerte ausübt. Trotz signifikanter Erhöhung festgestellter Werte bei Progesteron und Östrogen ließen sich weder bessere noch schlechtere Leistungswerte nachweisen.
Abschließend das Ergebnis einer Studie von Rickenlund et al (8).Die Forscher verabreichten 26 Ausdauersportlerinnen (teilweise mit normalen oder gestörtem Zyklus) sowie 12 unsportlichen Probandinnen über 10 Monate ein niedrig dosiertes Kontrazeptivum mit Östrogen und Gestagen. Wie gezeigt werden konnte, erhöhten sich nur bei den Athletinnen mit unregelmäßiger Periode Körpergewicht und auch Körperfett während der Gehalt an Muskelmasse unverändert blieb.
Möglich nun, dass sich die Zyklusstörungen auf einen bereits zu niedrigen Körperfettgehalt zurück führen ließen und diese Veränderung aus diesem Grund gesundheitlich gesehen nicht als negativ zu bewerten wäre, immerhin traten sie bei Frauen mit normalen Zyklus nicht auf.
Während es nur eine geringe Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit gab, führte die Verabreichung der Anti-Baby-Pille zu einer Erhöhung der Knochenmineraldichte insbesondere bei den Frauen die zu Studienbeginn hier schlechte Werte aufwiesen.
Fazit
Ähnlich wie beim Thema Gewichtsmanagement zeigt sich auch bei der Leistungsfähigkeit kein eindeutiges Bild einer negativen Beeinflussung durch die Verwendung der Anti-Baby-Pille. In kaum einer der wenigen verfügbaren Arbeiten finden sich Hinweise auf signifikante Leistungseinbußen. Positiv sorgte die Verwendung eines Kontrazeptivums sogar für eine Aufwertung der Knochenmineraldichte da wo sich im Vorfeld eine schlechte Situation zeigte.
Resümee
Zusammenfassend lässt sich zur Verwendung der Anti-Baby-Pille nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht behaupten, dass diese allumfassend einen Anstieg des Körpergewichts, des Körperfettgehalts oder von Wassereinlagerungen begünstigt. Zu groß ist die Anzahl unterschiedlicher Produkte und viel zu dünn ist hierzu das Aufkommen brauchbarer Studien die sich explizit mit einzelnen Varianten befassen. Ähnlich schwammig verhält es sich mit Veränderungen der Leistungsfähigkeit die nicht durchgängig nachzuweisen sind.
Prinzipiell sollten Frauen versuchen so wenig exogene Hormone wie möglich einzunehmen da dies die körpereigene Homöostase immer aus dem Gleichgewicht bringt. Alternative Verhütungsmethoden sollten kritisch bewertet werden und gegebenenfalls vorrangig zu Zuge kommen. Wo dies nicht möglich ist, oder wo die Pille neben der reinen Verhütung noch andere Funktionen für die einzelne Frau übernimmt, sollte man sich nicht verrückt machen lassen. Für einen großen Teil der Frauen ist es auch mit hormoneller Verhütung möglich schlank und leistungsfähig zu sein! Wo es an eindeutigen Studien mangelt rückt mehr und mehr die eigene Wahrnehmung in den Vordergrund, darum geht in euch und versucht heraus zu finden wie euer Körper auf die Anti-Baby-Pille eures Vertrauens reagiert.
Sportlicher Gruß
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Quellen:
( 1 )
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21507999
( 2 )
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22996028
( 3 )
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmedhealth/PMH0093796/
(4)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12381756
(5)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17990209
(6)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15618333
(7)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19567919
(8)