Die Sensationspresse schlägt wieder zu!
In einem älteren YouTube-Clip befasse ich mich bereits mit dem Effekt von Ecdysterone als „anaboler Agent“. Die Rede ist einerseits von positiven Effekten auf die Proteinsynthese nachgewiesen an der Zellkultur (2008) und im Tiermodell (2000,2015) aber auch von ausbleibenden Effekten an Krafttrainierenden (2006).
Schon 2015 hieß es bei Parr et al
“With respect to doping prevention the high anabolic potency of ecdysterone justifies its classification as an anabolic agent and therefore needs to be listed in the category “S1 Anabolic Agents” of the list of prohibited substances of the World Anti-Doping Agency”
Neue Studie – Neue Erkenntnisse
Jetzt untersuchten Forscher in einem 10-wöchigen Versuch den Einsatz von Ecdysterone an 46 jungen trainierten Probanden mit unterschiedlichen Dosierungen und Kapseln mit einem Gehalt von 100mg (bzw. nach unbestätigter Produktanalyse 6mg Ecdysterone) + 100mg Leucin.
- Gruppe 1 nahm 2 Kapseln pro Tag zu sich (mit Training)
- Gruppe 2 nahm 8 Kapseln zu sich (mit Training)
- Gruppe 3 nahm als Placebo-Gruppe 2 Kapseln als Placebos pro Tag zu sich (mit Training)
- Gruppe 4 nahm 2 Kapseln zu sich (ohne Training)
Die Probanden trainierten 3x pro Woche in einem 2-er Split. Es wurde Wert auf progressive Belastungssteigerung und saubere Trainingstechnik. Zu Beginn und am Ende der Testphase wurden anthropometrische Tests (BIA), Blutuntersuchungen (Östrogen, Testosteron, LH, IGF-1, T4, GOT, GPT, GGT), Urinuntersuchungen (Kontrolle auf gleichzeitige Verabreichung von Dopingsubstanzen) sowie Leistungstests durchgeführt. Nach den ersten 5 Wochen wurden zudem Blut und Urin analysiert.
Während sich Gesamtkörperwasser und Fettmasse in den BIA-Tests nicht signifikant unterschieden, stellten die Forscher insbesondere mit der höheren Dosierung signifikante Effekte bei Körpergewicht und Muskelmasse fest.
Bei der Sprungkraft und auch beim Back-Squat-Krafttest ergaben sich mit und ohne Supplementierung positive Veränderungen verglichen mit der nicht trainierenden Gruppe ohne signifikanten Effekt für Ecdysterone.
Auch beim Bankdrück-Test sorgte Training verglichen mit ausbleibendem Training in allen Gruppen für einen Kraftanstieg. Hier ergab sich ein signifikanter Effekt für die geringere Dosierung verglichen mit der Placebo-Verabreichung. (Ec1 von 82,92kg auf 92,5kg / PL von 92,71kg auf 96,04kg). Die Ec2 Gruppe steigerte die Leistung von 88,75kg auf 97,25kg ebenfalls in einem bemerkenswerten Bereich.
Die höchste Blutkonzentration wurde erwartungsgemäß in der Gruppe mit absichtlich höherer Dosierung als vom Hersteller vorgeschlagen festgestellt.
Auf endokriner Seite stellten die Forscher keine signifikante Beeinflussung bei Testosteron, LH oder T4 ausgelöst durch Ecdysterone fest. Interessant war ein ohne Ecdysterone beobachteter Abfall des IGF-1 Aufkommens in Rahmen des Versuchs der insbesondere von der Verabreichung einer geringeren Menge Ecdysterone signifikant eingedämmt werden konnte. Nur in einer Ecdysterone- Gruppe zeigte sich ein erwähnenswerter Rückgang des Östrogenaufkommens verglichen mit den Kontrollgruppen.
Die Forscher stellen weder Dopingsubstanzen im Urin fest, noch zeigten sich signifikante Veränderungen bei Leberenzymen die auf negative Effekte hindeuten würden.
Wir wirkt es?
Die Forscher vermuten anabole Effekte von Ecdysterone die sich anders begründen als bei Testosteron, DHT oder anderen synthetischen Hormonen. Anstelle über den Androgenrezeptor gilt eine Vermittlung über den Östrogenrezeptor als wahrscheinlich. Merkliche Auswirkungen des geringen Leucin-Anteils pro Gabe auf das Versuchsergebnis werden von den Wissenschaftlern ausgeschlossen.
Vergleichbar mit der Testosteronspritze?
Die Forscher geben im Full-Text an, dass die Effekte von Ecdysteronoe nicht in ähnlicher Art und Weise auftreten wie mit einer Verabreichung von wöchentlich 600mg Testosteron. Auch bei der Trainingsleistung liegen die festgestellten Ergebnisse des Ecdysteron-Versuchs deutlich hinter denen einer exogenen Verwendung von Testosteron.
Mögliche Nebenwirkungen
Während in Hinblick auf die Lebergesundheit viele relevanten Marker mit untersucht wurden, fanden keine Untersuchungen der Nieren statt. Lu et al untersuchten diesen Zusammenhang in einer Tierstudie und stellten fest, dass die Injkektion eines Äquivalents von 50mg Ecdysterone pro Tag bei Versuchstieren die Nierenzellen hypertrophieren ließ. Es konnte eine Interaktion mit dem Mineralcorticoid-Rezeptor beobachtet werden, die wiederum den Blutdruck vermag zu verändern. Die Forscher halten die Verabreichung potenziell bedenklich für die Nierengesundheit. Leider gibt es keine verlässlichen Aussagen darüber gibt, wie viel oral zugeführte Milligramm Ecdysterone pro Tag einer injizierten Verabreichung von 50mg Eydysterone entsprechen. Die Bioverfügbarkeit wird generell als eher schlecht angenommen, weshalb dieses Ergebnis noch keine klare Aussage zur Auswirkung von oral verabreichtem Ecdysterone auf die Nierengesundheit und den Blutdruck zulässt.
Resümee
Die neue Studie stellt interessante Ergebnisse zur Verwendung von Ecdysterone als Krafttrainierender vor. Positive Effekte auf Muskelaufbau und Leistungssteigerung binnen 10 Wochen können sich sehen lassen.
Für die Praxis bleibt die Frage offen, wie viel Edysterone die Probanden nun tatsächlich zu sich genommen haben (2x200mg oder 2x6mg bzw. 8x100mg oder 8x6mg). Hierzu steht noch ein Statement des Herstellers aus, der die Offenlegung des Analysezertifikats beantragt hat. Sobald es hierzu Neuigkeiten gibt werde ich diesen BLOG-Beitrag entsprechend überarbeiten.
Ecdysterone als Anabolika-Ersatz zu diskutieren ist anhand dieser ersten Arbeit mit positiven Effekten bei Sportlern ebenso weit hergeholt wie eine Listung als Dopingsubstanz. Vorerst reichen die Ergebnisse für das Prädikat „interessant“. Weiterführende Studien mit längerer Anwendungsdauer werden sehnlichst erwartet, sowohl zu Wirkungen als auch zu Nebenwirkungen!
Quellen
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18444661
https://link.springer.com/article/10.1007%2FBF02524596?LI=true
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2129166/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18444661
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4447764/
https://link.springer.com/article/10.1007/s00204-019-02490-x
https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJM199607043350101
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24974955
https://www.nature.com/articles/s41598-018-29483-7
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