Entgiftung – Wie es wirklich funktioniert
Entgiftung, Detox und alles, was mit -sanierung endet, hört man an jeder Ecke im Gesundheitsbereich. Gute wie schlechte Methoden sind dabei immer schwerer zu unterscheiden – klingen viele von ihnen doch sinnvoll, sind sie auf den zweiten Blick biologisch nicht sinnvoll. Erhalte daher heute einen Überblick, was Entgiftung wirklich ist, wie unser Körper entgiftet, und was jeder beachten kann.
Der heutige Beitrag ist ein Gastbeitrag von Martin Auerswald. Martin ist studierter Biochemiker und schreibt auf SchnellEinfachGesund, Primal-State und weiteren Magazinen über gesunde Gewohnheiten, die jeder in seinen Alltag unterbringen kann. Er orientiert sich dabei immer an biologischen Tatsachen und aktuellen wissenschaftlichen Studien. Wir freuen uns Martin auf unserem BLOG begrüßen zu dürfen!
Was ist Entgiftung?
Entgiftung bezeichnet die Gesamtheit aller Abbau- und Ausscheidungsprozessse im Körper. Körpereigene Stoffe werden abgebaut und ausgeschieden – genauso wie körperfremde Stoffe, die in den Körper gelangen und wieder eliminiert werden müssen. Alles, was nach „Entgiftung“ oder Detox (kurz für detoxification) klingt, möchte in erster Linie den Körper dabei unterstützen. Nun ist es wichtig zu unterscheiden, wie der Körper das macht, was er dazu braucht, und wie du ihn dabei unterstützen kannst. Mit diesem Wissen kannst du deinen Körper jeden Tag ein wenig unter die Arme greifen – ohne teure Detox-Pülverchen oder seltsam aussehende Shakes.
Wie unser Körper entgiftet
Im Folgenden möchte ich gerne erklären, welche Organe und Strukturen benötigt werden, um Giftstoffe und Abfallstoffe abzubauen und auszuscheiden. Damit bekommt der Kampfbegriff „Entgiftung“ eine biologische Bedeutung:
Niere
Die Niere ist das einfachste Entgiftungsorgan: Sie macht nichts anderes, als das Blut zu filtern. Jeden Tag, ein ganzes Leben lang. Täglich werden dabei 180 l Blut gefiltert und alle wasserlöslichen Stoffe, die eliminiert werden sollen, in etwa 2 Liter Harn komprimiert. Diese werden dann in der Harnblase und über den Urin ausgeschieden.
Leber
In der Leber werden wasser-unlösliche Stoffe wasserlöslich gemacht. Die Leber arbeitet dazu in zwei Phasen: In Phase 1 werden mittels direkter Oxidation (dazu werden Zytochrom P-Enzyme benötigt) Sauerstoffgruppen an Moleküle angebracht. In Phase 2 werden ganze funktionelle Gruppen wie z.B. Glucuronsäure angehängt. So lange, bis genannter Stoff wasserlöslich gemacht wird. Über den Urin oder über den Stuhl (Phase 3) werden diese Stoffe dann ausgeschieden.
Lunge
Die Lunge atmet Gift- und Abfallstoffe aus. Denn auch bestimmte Gase können im Stoffwechsel anfallen, und sollten schleunigst entfernt werden. Prominente Beispiele: CO2 und Stickoxide.
Darm
Alles, was der Körper aus der Nahrung nicht aufnehmen kann sowie Abbauprodukte, die über die Galle in den Darm „abgeschoben“ werden, gelangen in den Stuhl. Der Stuhl setzt sich aus diesen Stoffen zusammen sowie aus dem, was die Darmflora daraus herstellt. Ein intakter Darm ist so wichtig, damit nur ausgewählte Stoffe in den Körper gelangen und Abbauprodukte gezielt ausgeschieden werden können.
Bei einer geschädigten Darmwand (Leaky Gut Syndrom) oder einer deregulierten Darmflora kann es längerfristig zu gesundheitlichen Problemen kommen.
Lymphe
Die Lymphe ist sozusagen die Zwischenzellflüssigkeit im Körper. Sie nimmt etwa so viel Raum im Körper ein wie das Blut. In den Lymphknoten wird die Lymphe gefiltert und Fresszellen (Makrophagen) bauen Krankheitserreger und bestimmte Abbauprodukte ab.
Die Lymphe ist mit Blut und Darm verbunden, kann jedoch nur über sportliche Betätigung oder Sauna (Schwitzen) ernsthaft angeregt werden.
Haut
Wenn die anderen Entgiftungsorgane nicht hinterherkommen – häufig durch Überlastung von Leber und Darm – muss vermehrt über die Haut entgiftet werden. Das bedeutet, bestimmte Stoffe werden hier ausgeschieden. Das kann die Hautgesundheit beeinträchtigen und Erkrankungen wie Akne auslösen.
Was sind eigentlich Schlacken?
Schlacken wird ebenfalls inflationär gebraucht. Im technischen Sinne sind Schlacken das, was übrig bleibt, wenn Kohle verbrennt. Im Marketing sind Schlacken alles, was sich im Körper ablagern kann.
In der Biologie gibt es das Wort „Schlacken“ nicht. Doch was es ist:
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Tote Zellen, die nicht schnell genug abgebaut werden können
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Biofilme mit Bakterien, die sich im Darm bilden können
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Nahrungsmittelreste, die bei Darmträgheit im Darm zurückbleiben können
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Stoffwechsel-Endprodukte, die sich bei schlechter Entgiftungsleistung der Leber im Blut ansammeln können (z.B. Laktat und Malondialdehyd).
Wichtig ist, wer den Begriff „Schlacken“ in den Mund nimmt. Meist wird es leider für Marketingzwecke genutzt (um Angst zu erzeugen).
Autophagie – Einmal Frühjahrsputz, bitte!
Jede Zelle im Körper hat ein Programm, das Autophagie genannt wird. In Zeiten von Energieknappheit („Fasten“) baut die Zelle alte Zellbestandteile sowie Abbauprodukte selbst ab und gewinnt daraus Bausteine und Energie.
Bestimmte Immunzellen werden während der Autophagie besonders aktiv und gehen im Körper auf die Jagd nach Krankheitserregern und alten Zellen, die abgelöst werden können. Stammzellen werden daraufhin aktiviert und füllen die entstandene Lücke mit einer „frischen“ Zelle.
Die Autophagie kann man auch als zellulären Frühjahrsputz bezeichnen. Alte Zellen und alte zelluläre Strukturen werden abgebaut und durch neue ersetzt. Entgiftung in jeder einzelnen Zelle findet auch statt – nicht nur auf Organebene.
Noch ein Grund, warum ich das schreibe: Es gibt Nahrungsmittel und bestimmte „Nährstoffe“, die die Autophagie stimulieren. Viele Detox-Pülverchen und -Supplements gehen in diese Richtung. Dazu gehören auch die neuesten Stars in der Szene: Rapamycin, Metformin, Resveratrol, OPC und Spermidin.
Intermittierendes Fasten
Doch weist du was? Brauchst du alles nicht – wenn du von der Autophagie profitieren möchtest, dann faste einfach mal für ein paar Tage. Dein Körper erfährt in dieser Zeit eine kleine Verjüngungskur, für die du nichts zahlst.
Wenn das zu anstrengend ist, kannst du auch etwas machen, das als „Intermittierendes Fasten“ bezeichnet wird. Dazu isst du nur in einem kleinen Fenster von 6-8 Stunden und fastest den Rest des Tages (16-18 Stunden). Ab einer Dauer von 12 Stunden sind in der Regel die Zucker-Reserven in Muskeln und Leber aufgebraucht und Autophagie-Prozesse starten.
Das bedeutet jeden Tag ein paar Stunden Autophagie anstelle von ein paar Tagen Vollfasten. Einfacher in den Alltag zu integrieren, jedoch nicht für jeden (Hochleistungs-)Sportler etwas. Aber sicher einen Versuch wert.
Ein modernes Entgiftungsproblem – Umweltgifte
Von Natur aus ist unser Körper eine fast perfekte Maschine, die aus der Nahrung Nährstoffe isolieren und damit körpereigene Strukturen aufbauen kann. Auf der anderen Seite kommt er seit etwa 150 Jahren aus industriellen Gründen mit immer Stoffen in Kontakt, gegen die er kein gutes Gegenmittel hat.
Die Rede ist von Umwelt- und Industriegiften. Diese Stoffe können sich im Körper einlagern und Prozesse negativ beeinflussen.
Prominente Vertreter dieser Stoffe:
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Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Arsen
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Mikroplastik
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Östrogenderivate aus Weichmachern, Plastik, Flammschutzmitteln
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Farb- und Konservierungsstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln
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Farb- und Konservierungsstoffe in Kosmetik-Produkten
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Feinstaub in der Luft
Wo sind diese Stoffe zu finden?
- Leitungswasser (besonders bei alten Rohren mit Eisen und Blei)
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Kosmetika
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Verarbeitete Lebensmittel
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Raubfische (Thunfisch, Raubfisch)
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Tierische Produkte aus Massentierhaltung
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Atemluft
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Lacke und Überzüge von Holzmöbeln, Farben und Matratzen
Gegen einige dieser Stoffe kannst du etwas tun, indem du dich ihnen im Alltag weniger aussetzt. Gegen einige ist kein Kraut gewachsen (z.B. Atemluft) – hier ist es besonders hilfreich, den Körper bei der Entgiftung dieser Stoffe zu unterstützen.
An dieser Stelle ist der Begriff „Entgiftung“ auch wirklich angebracht.
Was du machen kannst, um den Körper bei der Entgiftung zu unterstützen
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Ernähre dich gesund, natürlich und nährstoffreich
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Achte auf ausreichend Proteine, Vitamin B, Schwefelstoffe, Zink, Selen, Bitterstoffe und Antioxidantien aus der Nahrung
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Komm mindestens 2x pro Woche so richtig in’s Schwitzen
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Ziehe eine morgendliche kalte Dusche in Erwägung
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Faste gelegentlich (intermittierend oder voll).
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Achte auf eine gesunde Verdauung – reagiere auf Symptome wie Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen oder Verstopfung
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Geh regelmäßig in die Natur, damit deine Lunge eine Pause bekommt
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Minimiere schädliche Einflüsse wie Rauchen, Alkohol und Transfette
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Trage kein überflüssiges Körperfett mit dir herum (> 20 % Körperfettanteil)
Nahrungsmittel, die den Körper bei der Entgiftung unterstützen können (in den Alltag integrieren)
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Grünes Gemüse wie Spinat, Brokkoli, Artischocke
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Fisch und Meeresfrüchte
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Beeren
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Leinsamen
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Bio-Kaffee
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Ingwer
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Knoblauch
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Organfleisch wie z.B. Rinderleber
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Naturjoghurt
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Apfelessig
4 Detox-Trends, die kritisch zu betrachten sind
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Detox-Wasser: Es hat keinen Mehrwert, eine Flasche Wasser mit Gurken- und Zitronenscheiben zu mischen. Iss die Gurke – das entgiftet dich eher.
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Saftfasten: Saftfasten kann ein wertvolles Tool sein, um eine entzündete Leber zu entlasten. Allerdings nicht länger als 7 Tage.
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Basenfasten: Das ganze Gerüst rund um die Säure-Base-Theorie ist biologisch nicht haltbar und steht auf wackligen Beinen. Entsprechende Basenpulver sind kritisch zu betrachten.
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Homöopathie: wissenschaftlich nicht haltbar.
Hinzu kommen viele Trends wie Bowls, Green Smoothies und weitere Späße. Bevor du darüber vorschnell urteilst, überlege dir nur eines: Verdient jemand damit Geld? Wenn niemand damit Geld verdient überlege, was in diesen Gerichten enthalten ist. Sind es nährstoffreiche und gesunde Lebensmittel, die in ein hippes Gewand gekleidet werden? Daran ist nichts falsch – wenn es mehr Menschen animiert, gesünder zu essen.
Doch sobald die Green Smoothie Bowl 13 € kostet, darfst du gerne kritisch werden 😊