Beiträge zu Themen wie diesem sind deshalb so interessant, weil sie beinahe täglich in diversen Fitness-Gruppen des Social-Medias diskutiert werden. Heute geht es um die konkrete Frage: „Kann man mit Krafttraining auch das kardiovaskuläre System (also das Herz-Kreislaufsystem) so stark in Anspruch nehmen das dies einen Trainingseffekt erfährt?“.
Training des HKL-Systems – Warum ist das wichtig?
…. denkt sich jetzt sicher der eine oder andere Trainierende der hier bei Body-Coaches liest um etwas über Muskelaufbau zu erfahren. Wir sind hier schließlich nicht auf einer Läuferseite?! 🙂 Tatsächlich muss man seinen Horizont als Kraftsportler hierzu ein wenig erweitern und vielschichtiger denken. Zum einen gilt als belegt, dass eine gute kardiovaskuläre Fitness eine gewichtige Rolle beim Thema Mortalität (Sterblichkeit) spielt (11). Wer also ein trainiertes, leistungsfähiges Herz-Kreislaufsystem sein eigen nennt kann davon ausgehen, dass er damit sein eigenes Sterblichkeits-Risiko reduziert. Nochmals interessanter wird dies dank der Tatsache, dass Herzerkrankungen neben Krebserkrankungen die häufigsten Todesursachen darstellen (9).
Auch wer sich „noch“ nicht wirklich etwas um seine Gesundheit schert tut sich dennoch einen Gefallen damit sein Herz-Kreislaufsystem zu trainieren, da es sich direkt auch auf Muskelaufbau auswirkt. Hapert es an der Blutumverteilung, kommt es wesentlich schneller zu einem Mangel an Energiesubstraten wie Glucose oder Fettsäuren die nicht (oder in nicht ausreichender Menge) unmittelbar im Muskel gespeichert sind. Auch die Sauerstoffversorgung ist in solchen Fällen eingeschränkt, ebenso wie der Abtransport von Stoffwechselendprodukten aus trainierten Muskelgruppen. Neben diesen offensichtlichen Vorzügen zeigen Holloszy et al (10), dass sich durch regelmäßiges, intensives Ausdauertraining auch die Anzahl an Mitochondrien in Muskelfasern vom Typ II erhöhen lässt. Wem die Unterscheidung bei Muskelfasertypen nicht geläufig ist, es handelt sich dabei um den Muskelfasertypus der schnell kontrahiert und besser hypertrophiert als der langsamere, dafür aber ausdauerndere Muskelfasertyp I. Mehr Mitochondrien stehen stellvertretend für eine verbesserte Oxidation von Fettsäuren. Die Voraussetzung hierfür ist eine ausreichende Sauerstoffversorgung um den Mitochondrien-Stoffwechsel damit zu schüren. Genau hier greift der zweite entscheidende Vorteil von Cardiotraining, nämlich eine Ökonomisierung der Sauerstoffversorgung über eine Erhöhung der Atmungskapazität. Diese Anpassung steht nun stellvertretend für eine stärkere Fettverbrennung sowie einen glykogensparenden Effekt innerhalb des Energiestoffwechsels belasteter Muskelfasern.
Fazit
Halten wir fest – Egal ob man Wert auf seine Gesundheit legt oder nicht, ein gut trainiertes Herz-Kreislaufsystem birgt enorme Vorteile auch für „Nicht-Ausdauersportler“!
Krafttraining ist genug Cardiotraining – Stimmts?
Die Studie
Androulakis-Korakakis P. et al. stellten sich diese Frage und rekrutierten insgesamt 16 wettkampfambitionierte Powerlifter und Strongman in ihrer über 8 Wochen andauernden Untersuchung. Die Forschergruppe wollte herausfinden, ob durch Deadlifts und Kniebeugen in einem höheren Wiederholungsbereich ein Anstieg der kardiovaskulären Fitness zu verzeichnen ist, der Radfahrsprints gleichkommt. Als gängiger Indikator für die Untersuchung der kardiovaskulären Fitness diente die VO2 Max (= maximale Sauerstoffaufnahmemenge als Marker die Ausdauerleistungsfähigkeit). Des Weiteren interessierte sich die Forschergruppe für inwieweit auch Kraftanpassungen durch die zusätzliche Krafttrainingseinheit im höheren Wiederholungsbereich stattfinden und verwendeten hierzu Training am Beinstrecker (1).
Die Forscher teilten nun die 16 Probanden im Alter von 21-28 Jahren mit mindestens 2 Jahren Trainingserfahrung randomisiert in zwei Gruppen auf. Die Probanden befanden sich in Mitten eines Kraftzyklus und absolvierten ihr gewöhnliches sonstiges Krafttraining parallel zum Versuch wie gewohnt weiter (2-5x die Woche mit 60-85% 1RM und 7-8,5 RPE). Von den 8 Athleten führten jeweils 2 aus jeder Gruppe zusätzlich Ausdauereinheiten durch. Die weiteren 6 trainierten ausschließlich Kraft. HIIT Einheiten (Hoch Intensives Intervalltraining) wurden zusätzlich als Radfahrsprints ausgeführt. Sie begannen mit einem 5-minütigen Warm-Up (5-6 RPE), mit anschließenden 7 Intervallen á 30-Sekunden (8-9 RPE) und einer Pause von 90 Sekunden zwischen den Intervallen. Anschließend folgte eine 5-minütige Cool-Down Phase. Die Kraftgruppe absolvierte an einem Tag eine Kniebeugen-Einheit und eine Deadlift-Einheit an einem weiteren Tag. Die Probanden waren frei in der Wahl der Standbreite und der Stangenposition bei der Kniebeuge sowie bei der Positionierung im Deadlift. Kontrolliert wurde dennoch eine korrekte Übungsausführung. Nach einem kurzen Warm-Up bei 60% 1RM, folgten 7 Sätze mit so vielen Wiederholungen bis 8-9 RPE erreicht wurden. Dies dauerte im Schnitt 16-30 Sekunden und 8-15 Wiederholungen. Unterbrochen wurden die Sätze analog zum HIIT mit einer 90-sekündigen Ruhephase. Die Einheiten endeten mit einem 5-minütigen Cool-Down auf dem Laufband.
Die Ergebnisse
Der Kraftzuwachs war für beide Gruppen ähnlich groß, wenngleich der Zuwachs an Kraft in der Radfahrgruppe minimal höher war. Beide Gruppen steigerten die VO2 Max Werte. Auch hier traten Verbesserungen in der Ausdauergruppe etwas deutlicher hervor als in der Kraftgruppe.
Traue keiner Untersuchung, die du nicht selbst gefälscht hast…
Auf den ersten Blick bescheinigt die Studie bessere Effekte ausgehend auf die Ausdauerleitungsfähigkeit für Cardiotraining in Form von HIIT. Sie zeigt aber auch, dass bestimmte Grundübungen bei Krafttraining durchaus einen (wenn gleich geringeren) VO2Max-Effekt ausüben.
Leider weist die Studie einige methodische Mängel auf die erwähnt werden müssen.
Zum ersten gab es keine Protokollierung des parallel ausgeführten Krafttrainings der Probanden und folglich auch keinen Vereinheitlichung der gesamten Trainingsbedingungen. Oben gezeigte Steigerungen bei Kraftleistungen auch in der HIIT-Gruppe sind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einzig und alleine auf eben das Ausdauertraining zurückzuführen, sondern auf das gesamt absolvierte Trainingsprogramm.
Wünschenswert wäre eine Kontrollgruppe gewesen die lediglich „nur“ deren üblichen Krafttraining ohne die zusätzlichen Einheiten ausführt.
Die Ermittlung der VO2Max fand lediglich via Berechnung aus den Ergebnissen des sog. YMCA 3 Minute Step Tests und nicht via echter Messung statt. Besagter Test weist generelle Schwächen auf, da er weder das Geschlecht noch die Größe der Probanden berücksichtigt. Bei einer Probandenzahl von nur 8 pro Gruppe können derartige Gegebenheiten das Ergebnis verzerren. Auch bei der Ermittlung der Kraftleistung wurde mit Formeln (hier die Dohoneys Formel (6)) gearbeitet.
Praxisrelevanz
Unter der Annahme das oben genannte Studienergebnisse trotz aller aufgezeigter Mängel dennoch eine gewisse Aussagekraft haben, gilt es nun daraus etwas für die Praxis abzuleiten.
Deadlifts und Kniebeugen „funktionieren“ da Sie anders als die meisten anderen Übungen eines typischen Krafttrainings eine erhebliche Menge an Muskelfasern mit in die Bewegung involvieren die ihrerseits alle vom Herz-Kreislaufsystem versorgt werden wollen und müssen. Es entsteht ein trainingswirksamer Anspruch der jedoch NICHT auf all die anderen Übungen wie den Bizeps-Curl, den Trizeps-Kickback, Schulter-Frontheben, Butterfly und auch nicht Bankdrücken als weitere Grundübung automatisch umgemünzt werden kann.
Fazit
Wer mehrmals wöchentlich Übungen wie Deadlifts oder Kniebeugen im submaximalen Bereich für sein Training vorsieht, darf sich davon einen gewissen kardiovaskulären Effekt versprechen der dem von Cardiotraining zumindest ähnelt. Für alle anderen gilt bis hierher, das man für ein Training des Herz-Kreislaufsystems nicht um ein spezifisches Cardiotraining umher kommt.
Was sagen andere Untersuchungen?
Sieht man sich weiter in der Literatur um, stößt man auf den Review von Hayao Ozaki, et al., (7) die die Zunahme des VO2 Max Wertes durch Widerstandstraining untersuchten und insgesamt 17 Studien mit jungen Probanden in ihren Review einbezogen. Lediglich in 3 (!) wurde ein positiver Effekt durch Krafttraining auf den VO2 Max Wert nachgewiesen. Besser sag es bei älteren Probanden aus. Hier waren es 6 von 9 Studien mit Hinweisen auf VO2 Max Verbesserungen durch Krafttraining. Nach Sichtung der Studien, schlussfolgerten die Forscher das der durch Krafttraining induzierte VO2 Max Anstieg in Abhängigkeit zum Anfangswert (bestehende Ausdauerleistungsfähigkeit) stünde und die Werte bei älteren Personen unter 25 ml/min/kg und bei jungen Personen unter 40 ml/min/kg liegen müssen, um tatsächlich von Krafttraining ausreichend Reiz für das Herz-Kreislaufsystem zu bekommen das dieses sich anpasst.
Interessant
30-40 ml/min/kg gelten als Werte die man schlechtausdauertrainierten Sportlern zuschreibt, während man sich ab 50-60 ml/min/kg zur Gruppe gut ausdauertrainierter Sportler zählen darf (12).
Fazit
„Je schlechter deine Ausdauerleistungsfähigkeit ist, desto eher darfst du dir einen Cardio-Effekt von Krafttraining erhoffen.“ Zweifelhafte Ausbeute für alle diejenigen die bisher keine Energie in das Training des Herz-Kreislaufsystems gesteckt haben.
Resümee
Krafttraining kann nur in ganz bestimmten Fällen Cardiotraining ersetzen. Aus Studie 1 erfahren wir, dass Übungen wie Deadlifts oder Kniebeugen mit einer enormen Menge involvierter Muskelfasern einen gewissen, wenn nicht denselben Effekt wie Cardiotraining in seiner Form als HIIT ausüben. Aus Studie 2 erfahren wir, dass Trainierende sich wie es scheint nur so lange einen merklichen Effekt erhoffen dürfen wie deren Ausdauerleistungsfähigkeit gemessen am VO2Max als schlecht beurteilt wird.
Mit diesen gewonnenen Erkenntnissen heißt es für euch nun euch als Athleten und auch euren Trainingsplan kritisch zu hinterfragen um dann zu einer Aussage zu gelangen, inwieweit ihr vielleicht doch von regelmäßig geplanten Cardio-Einheiten profitieren könnt, egal ob ihr euch derzeit im Aufbau oder in der Reduktion befindet.
Allen die sich für Cardiotraining entscheiden sei noch der Rat nahegelegt, dies NICHT unmittelbar vor dem Krafttraining auszuführen. Die Wissenschaft streitet sich ansonsten über den optimalen Zeitpunkt für Cardiotraining und darüber, inwieweit nach dem Krafttraining ausgeführtes Cardiotrainnig dem Muskelaufbau im Weg steht (2,3). Auf der sicheren Seite seid ihr definitiv wenn ihr es schafft Cardiotraining an getrennten Tagen vom Krafttraining oder zumindest mit einem gewissen zeitlichen Versatz (Morgens – Abends) zu absolvieren (4).
Sportlicher Gruß
Holger und Daniel
www.body-coaches.de
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Quellen
(1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28431408
(2) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24270456
(3) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22492813
(4) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22460475
(5) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24781201
(7) https://link.springer.com/article/10.1007/s11556-013-0120-1
(8) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6640815
(10) http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6373687
(11) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19454641
Bildquelle
BMS – GNBF