„Food Combining“ – Lebensmittel gezielt kombinieren – Humbug oder sinnvolle Strategie?
Man kennt es von Beiträgen wie DIESEM. Unter Verweis auf Artikel eines gewissen Dr. Gian-Cursio und Dr. Bass wird auf das immense Potenzial geschickter Lebensmittelkombinationen bzw. negative Effekte unsachgemäßer Lebensmittelkombinationen hingewiesen. Krankheiten sollten bei falschem Umgang gefördert, Toxine angesammelt und der Verdauung soll geschadet werden. Was davon darf man glauben, bzw. was davon basiert auf Studien und was ist mehr oder weniger aus der Luft gegriffen und basiert bestenfalls auf Erfahrungsberichten?
Steak mit Kartoffeln schadet der Gesundheit!
… so sieht es eine Theorie, die erstmals in der ayuredischen Medizin auftrat. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts kennt man sie als „Science of Food Combining“. Auch die sog. „Hay Diet“ basierte auf der Theorie der Lebensmittelkombinationen bei der mehrere Lebensmittelgruppen unterschieden werden:
- Kohlenhydratträger und Stärketräger
- Früchte (süß, sauer, Melonen))
- Gemüse
- Proteinträger
- Fettträger
Je nach Ansatz und Ansicht finden sich nun diverse Gesetze und Verbote wie:
- Früchte (insbesondere Melonen) nur auf nüchternen Magen konsumieren
- Milchprodukte (insbesondere Milch) nur auf nüchternen Magen konsumieren
- Kohlenhydratträger (Stärke) nicht mit Protein kombinieren
- Kohlenhydratträger (stärke) nicht mit sauren Lebensmitteln kombinieren
- Verschiedene Proteinquellen nicht kombinieren
Auch Regeln wie ein Verbot Protein mit Fett zu kombinieren, die Vorgabe Zucker nur separat zu essen oder Obst und Gemüse nicht miteinander zu verzehren finden in einigen Quellen.
Überzeugungen
All die genannten Regeln basieren natürlich auf Überzeugungen. Einerseits geht man davon aus, dass unterschiedliche Lebensmittel unterschiedlich schnell oder langsam verdaut werden und so eine Art „Stau“ im Verdauungstrakt entstehen kann wenn falsch kombiniert wird. Auf der anderen Seite stellt man sich vor, dass die jeweilige Arbeit von Verdauungsenzamen in einem bestimmten ph-Milieu am effektivsten funktioniert. Dies würde durch falsche Lebensmittelkombinationen empfindlich gestört. Halte man sich nicht an og. Regeln und Verbote führe dies unweigerlich zur Ansammlung von Toxinen, Verdauungsstress und Krankheit.
Was sagt die Wissenschaft?
Tatsächlich findet sich zu den Prinzipien der Lebensmittelkombinationen nur eine einzige Studie (1) die untersuchte, inwieweit sich mit den Vorgaben Gewichtsverlust schneller herbeiführen lässt. Hierzu teilte man die Probanden in zwei Gruppen. Beide Gruppen verzehrten dieselbe Menge an Kalorien (1100) über 6 Wochen. Nach Ablauf der Versuchsdauer nahmen beide Gruppe gleichermaßen ab, ohne dass sich ein signifikanter Vorteil für gezieltes kombinieren ergab.
Tatsächlich scheint die Theorie nicht nur „un“fundiert sondern auch im Widerspruch zu Grundlagen der Biochemie zu bestehen. So ist es falsch zu glauben unser Verdauungstrakt habe ein Problem damit Makronährstoffe kombiniert miteinander zu verarbeiten. Er hat es immer getan!
Auf der anderen Seite wird es bei bestimmten Lebensmitteln extrem schwierig diese nach den Regeln des Food Combinings zu kategorisieren. Was macht man beispielsweise mit Haferflocken die einen moderaten Protein-, Fett- und Kohlenhydratgehalt liefern? Wie sieht es mit „modernem“ Soja aus oder fetthaltigem Fleisch sowie Vollei? Es treten Probleme auf die eigentlich keine sind da unser Verdauungstrakt seit jeher daran gewohnt ist Lebensmittelkombinationen zu verarbeiten.
Wandert Nahrung vom Mund in den Magen wird dort Magensäure freigesetzt. Pepsin sowie Lipasen unterstützen die Protein- und Fettverdauung während Kohlenhydrate schon einen Schritt vorher via Speichelamylasen „vorverdaut“ wurden. Studien belegen, dass besagte Enzyme Pepsin und Lipasen auch freigesetzt werden wenn die zugeführte Nahrung kein Protein oder kein Fett enthält (2,3).
Weiter geht es anschließend vom Magen in den Dünndarm wo Magensäure neutralisiert und im Darm ankommende Nahrung von einer Flut an Verdauungsenzamen überschwemmt wird um auf diese Weise Proteine, Fettverbindungen und Kohlenhydrate in deren jeweils absorbierbare Form zu bringen (3,4,5).
Unser Verdauungstrakt ist bestens Gerüstet Lebensmittelkombinationen zu verdauen – GEMEINSAM
Weiter geht es mit der Theorie des ph-Werts. In der Tat hängt die Aktivität von Enzymen davon ab, wie es um den vorherrschenden ph-Wert bestellt ist und in der Tat funktionieren einige Enzyme nicht bei ein und demselben ph-Wert am besten. Falsch ist hingegen, dass wir mit einer aufgenommenen Mahlzeit in der Lage sind den ph-Wert des Verdauungstraktes signifikant zu verändern und damit alle bestehenden Regulationsmechanismen außer Kraft setzen. Tatsächlich reguliert sich der ph-Wert von selbst wie beispielsweise im Magen. Für gewöhnlich herrscht hier ein sehr saures Milieu (ph 1 – 2,5). Kommt Nahrung an, ändert sich steigt dieses kurzzeitig auf bis zu ph 5. Kompensatorisch wird nun Magensäure freigesetzt um den ph-Wert auf den Ausgangswert zu herunter zu regulieren der eine bestmögliche Verdauung in dieser Instanz erlaubt (6). Im Dünndarm angekommen greift dann das Bicarbonat-Puffersystem und neutralisiert das anfänglich saure Milieu auf einen Wert um die 5,5 bis 7 weil hier Dünndarm-Enzyme am effektivsten arbeiten (6,7).
Wirklich gestört werden kann das System bei einer dauerhaften Übersteuerung eines bestimmten Bereichs. Bei Sportlern überwiegt dank stetig verstärkter Zufuhr von Säurebildner die Säurezufuhr bei gleichzeitig zu wenig kompensatorischer Aufnahme an Basenbildnern. Mit der Zeit kann dies tatsächlich Puffersysteme aus dem Gleichgewicht bringen und nachweislich negative Effekte zur Folge haben, für Gesundheit und Performance! (8,9).
Wer generell für ein Säure-Basengleichgewicht sorgt braucht sich um den ph-Wert einzelner Mahlzeiten keine Sorgen zu machen
Letztlich sollen bestimmte Lebensmittelkombinationen auch für vermehrtes Gären und damit unsachgemäße Verdauung sorgen. Allen voran wird gerne Hühnchen mit Kartoffel und Salat als Beispiel schlechtes Beispiel einer Kombination angeführt und damit eine Mahlzeit, die sicher viele von uns regelmäßig genauso auf dem Tisch haben. Eigentlich schnell verdauliche Nahrung würde von langsam verdaulichen Bestandteilen behindert die dann im Magen zu gären beginnt — NONSENS!!
Damit es zu Gärung kommt müssen Bakterien aktiv sein. Kaum ein ungeschütztes Bakterium überlebt jedoch in einem sauren Milieu wie es in unserem Magen herrscht, weshalb hier sicher nichts gärt (2). Wo hingegen etwas Derartiges geschieht ist im Dickdarm. Hier tummeln sich Milliarden von Bakterien die dort mitunter unverdauliche Bestandteile wie Ballaststoffe abbauen und sich letztlich daraus sogar ernähren (kurzkettige Fettsäuren), weshalb man hier eigentlich sogar von einem nachweislich positiven Effekt mit enormem gesundheitlichen Nutzen spricht. Ein gesundes Aufkommen an Darmbakterien steht mitunter für reduzierte Entzündungswerte, gute Blutzuckerkontrolle und ein niedriges Darmkrebsrisiko (10,11). Letztlich muss der Dickdarm auch herhalten wenn es dem Dünndarm zu viel wird oder wenn es ihm nicht „gut geht“. Sportler kennen dies, wenn es ihnen übel-riechend aus dem Hintern fährt (Stichwort Protein-Furz) oder sich der Bauch bläht.
Das Gären von Nahrung im Magen dank unterschiedlich schneller Verdauung ist nicht zu erwarten. Erst im Dickdarm werden Bakterien aktiv, was aber in den meisten Fällen als positiv zu bewerten ist
Diese Lebensmittelkombinationen machen trotzdem Sinn
Nachdem wir die vermeintlichen Theorien des Food-Combinings“ als Humbug entlarvt haben kommen wir nun noch zu einigen wirklich sinnvollen Nahrungsmittelkombinationen.
Allen voran wäre da die Kombination von Non-Häm-Eisen haltigen Lebensmitteln (pflanzliche Vertreter) mit Vitamin-C-haltigen Früchten zu nennen. Hier sorgt der Vitamin-C-Gehalt für eine bessere Bioverfügbarkeit und zudem eine verringerte Hemmung der Eisenabsorption ausgehend von in vielen pflanzlichen Eisenträgern enthaltener Phytinsäure (11,12)
Ein weiteres Beispiel wäre die Kombination Carotinoid-haltiger Lebensmittel mit einer Fettquelle. Wird dies nicht gemeinsam verabreicht, findet die Absorption von Carotinoiden wesentlich schlechter statt als mit zeitgleicher Verabreichung von mindestens 5 bis 6 Gramm Fett (13-15)
In die andere Richtung wären abschließend Spinat, Schokolade oder bestimmte Teesorten zu nennen, die dank des hohen Oxalatgehalts die Bioverfügbarkeit von Calcium mindern indem Sie mit ihm unlösbare Verbindungen eingehen (16,17).
Tatsächlich gibt es bestimmte Lebensmittelkombinationen die zu empfehlen sind, während man von anderen Konstellationen eher Abstand nehmen sollte. Meist haben diese aber etwas mit der Bioverfügbarkeit enthaltener Bestandteile zu tun und nicht mit den genannten Theorien des Food Combining
RESÜMEE
Man kann sich das Leben unnötig schwer machen. Passend ist dieser Satz für alle diejenigen die sich akribisch an die Theorie des Food-Combinings halten. Tatsächlich sind wir Menschen seit jeher bestens daran adaptiert, unterschiedliche Nährstoffe zusammen zu verzehren, dies lässt sich auch auf Seiten der Wissenschaft belegen.
Quellen
(1)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10805507
(2)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26376477
(3)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26345415
(4)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8185208
(5)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25686469
(6)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18602774
(7)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22698940
(8)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25983586
(9)
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24232975
(10)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27113407
(11)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25244367
(12)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16019304
(13)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27638711
(14)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15277161
(15)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10702576
(16)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8335871
(17)