Vor einiger Zeit habe ich mich mit dem sog. Keto-Paradox (3) und damit mit der Frage befasst, warum sich Ergebnisse hinsichtlich Leistungsmarkern und Muskelmasseerhalt bei ketogenen Diäten derart unterscheiden. Die Kernprobleme liegen in meinen Augen hierbei in den allermeisten Fällen im Aufbau der Diät:
- Generell zu kurze Studien oder unterschiedlich lange Dauer für die Keto-Adaption
- Ausbleibende Nutzung von wichtigen Nahrungsergänzungen
- Zu geringe Proteinzufuhr
- Zu hohe Kalorienzufuhr
Zwar kann man sagen, dass die ketogene Diät gesundheitliche Marker bei Übergewichtigen verbessert und über dies natürlich auch einen Gewichtsverlust herbeiführen kann, wie das Ganze bei Sportlern aussieht im Speziellen für Zielsetzungen wie Performance-Steigerungen oder Muskelaufbau war bis dato unklar.
Neue Studie mit heiß diskutierten Ergebnissen
Eine neue Studie von Wilson et al (1) geht derzeit einmal komplett durch die Szene und wieder zurück mit vehementer Kritik insbesondere von allen “Keto-Gegnern“. Erstmalig untersuchten Forscher die Effekte einmal einer Ernährung mit typisch westlicher Makronährstoffverteilung (20% Pro, 55%KH, 25% Fett) und einer ketogenen Diät (20% Pro, 5% KH, 75% Fett) an trainierten männlichen, jungen, gesunden Probanden in Hinblick auf die Körperzusammensetzung, Kraftwerte, Blut- und Hormonwerte. Alle Probanden führten während der Versuchsdauer ein praxisnahes Krafttrainingsprotokoll aus, wurden dann aber in 2 Gruppen geteilt. Gruppe 1 erhielt besagte westliche Diät über 11 Wochen, Gruppe 2 ernährte sich in den Wochen 1 bis 10 streng ketogen (alle Probanden waren nachweislich ab Woche 2 im Zustand der Ketose) führte dann aber in Woche 11 einen Kohlenhydrat-Refeed durch um (so die Intention des Wissenschaftler-Teams) bei den abschließenden Krafttests identische Bedingungen zu schaffen.
In der Konsequenz ergaben sich wie zu erwarten war stark unterschiedliche Ergebnisse aus DXA-Messungen hinsichtlich fettfreier Masse und auch Fettmasse, da die Glykogenbeladung und in diesem Kontext starke intrazelluläre Wassereinlagerungen besagtes Ergebnis maßgeblich beeinträchtigt und zu Gunsten der ketogenen Diät verschiebt.
Studie also Nonsens?
NEIN – Unterm Strich blieb aber auch nach Berücksichtigung genannter Umstände bestehen, dass sich die Athleten der ketogenen Gruppe über 10 Wochen hinsichtlich anaerober Leistungen in ähnlichem Verhältnis steigern konnten und dass es zu mindestsens vergleichbaren Veränderungen der Körperzusammensetzung kam (mit leichten Vorteilen für die ketogene Diät) kam. Der Testosteronspiegel wurde zumindest über die 11 Wochen (inkl. Glykogen-Load) positiv beeinflusst, auch hier gilt jedoch die Einschränkung von Effekten ausgehend von besagter Woche 11.
Fazit
„The KD can be used in combination with resistance training to cause favorable changes in body composition, performance and hormonal profiles in resistance-trained males“
Angesichts der Ergebnisse und zudem vergleichbarer Resultate aus einer vorherigen Studie von Jabek et al (2) an untrainierten Frauen sollte man der ketogenen Diät immer hin das oben zitierte Ergebnis zusprechen – nicht mehr und nicht weniger.
Ketogene Diät eine Option?
Für die Praxis erfahrener Trainierender tauchen nun natürlich neue Fragen auf, denn wir ernähren uns High-Protein und in vielen Fällen auch nicht anteilsmäßig aus 55% Carbs. Auch stellt sich die Frage ob sich über 11 Wochen hinaus weitere Veränderungen ergeben würden oder ab man tatsächlich in der Theorie (fernab von der schier unerträglichen Einseitigkeit einer ketogenen Diät in der Praxis) auch dauerhaft gute Ergebnisse mit der ketogenen Diät erzielen könnte. Für den Moment stellen sich keine derart klaren einschlägigen Vorteile heraus die in meinen Augen einen generellen Umstieg auf eine ketogene Ernährungsform rechtfertigen würden. Ein Selbstversuch für einen eigenen Erfahrungswert ist dennoch sicher keine schlechte Sache und wird auch (angesichts der gezeigten Ergebnisse) bei richtig geplanter Diät nicht in einem Desaster enden.
Sportlicher Gruß
Holger Gugg
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Quellen
(1)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28399015
(2)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20196854)
(3)
https://www.peak.ag/de/classic/peak-blog/keto-paradox-wie-setze-ich-die-ketogene-diaet-sinnvoll-um