Mythen, die früher durch nur Mund-zu-Mund-Propaganda weitergegeben wurden, verbreiten sich heute wie ein Lauffeuer durch soziale Medien, Blogs und sogar etablierte Medien. Im Dschungel an Informationen der heutigen Zeit fällt es extrem schwer ala Aschenputtel die Guten von den Schlechten zu trennen. Grund genug für uns in dieser BLOG-Reihe die gängigsten Ernährungsmythen kurz und knapp zu formulieren und Fakt von Fiktion zu trennen.
Mythos 1 – Eiweiß schadet den Nieren und baut Knochen ab
Immer wieder finden sich Schlagzeilen die behaupten Eiweiß würde Knochenabbau fördern (2) anstelle dagegen anzukämpfen. Ein Gros der vorhandenen Literatur zum Thema spricht sich dafür aus dass:
- Protein die Aufnahme von Kalzium aus der Nahrung fördert (3)
- eine hohe Proteinzufuhr das Knochenwachstum fördert (4)
- eine hohe Proteinzufuhr Knochenabbau verzögert (4)
- eine proteinarme Ernährung mit einem höheren Risiko für Hüftfrakturen verbunden ist (4)
Mehr Protein zu sich zu nehmen fördert die Absorption von Kalzium und mit ihr damit die gesamte Ausscheidung über Stuhl und Urin. In Summe führt Protein jedoch zu einer höheren Kalziumretention in unseren Knochen. Die aktuelle Literatur spricht Protein aus diesem Grund in Hinblick auf die Knochengesundheit eine neutrale bis schützende Wirkung zu (5,6).
Hartnäckig hält sich auch der Mythos von vermeintlich Nieren schädigender Effekte ausgehend von High-Protein-Diets. Tatsächlich finden sich Untersuchungen in beiden Richtungen. So stellen diverse Untersuchungen Veränderungen von Nierenmarkern an gesunden und nierenkranken Probanden fest (1,7,8). Devries et al berichten in deren Meta-Analyse von einer ausbleibenden Beeinträchtigung der Nierengesundheit bei Gesunden.
Fazit
Während man sich in Verbindung mit proteinreicher Ernährung (vorausgesetzt einer insgesamt ausgewogenen Diät) keine Sorgen um einen vermehrten Knochenabbau machen sollte, ist es durchaus ratsam, begleitend und regelmäßig gängige Marker der Nierengesundheit zu prüfen. Es besteht keine generelle „Gefahr“, individuell sind dennoch Veränderungen der Nierenleistung nicht ausgeschlossen. Dies gilt es individuell zu kontrollieren.
Mythos 2 – Kohlenhydrate stören beim Abnehmen
Weniger Kohlenhydrate zu essen (insbesondere verarbeitete Kohlenhydrate) kann hilfreich sein, wenn es einen insgesamt gesünderen Ernährungsstil fördert. Sorgt die Reduzierung von Kohlenhydrate jedoch für eine Abnahme der Diätqualität, des Wohlbefindens oder sorgt für frühzeitigen Abbruch der Abnehmphase sollte man nicht krampfhaft an diesem Ansatz festhalten. Bei erfolgreichem Abnehmen kommt es nicht darauf an, Fett durch Kohlenhydrate oder Kohlenhydrate durch Fett zu ersetzen, sondern die meisten Tage mit einem Kaloriendefizit zu beenden. Kohlenhydrate sind nicht per se schädlich und sollten in Abhängigkeit des individuellen Bedarfs einen Platz in der Diätstrategie finden (10-25).
Mythos 3 – Fett macht Fett
Fett essen, Fett zunehmen, richtig? Viele Jahrzehnte lang verfolgte man den klassischen Ansatz einer fettarmen Diät zur Gewichtsreduzierung. Aktuelle Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass fettarme und kohlenhydratarme Diäten bei gleichem Kaloriendefizit und gleicher Proteinzufuhr zu ähnlichen Gewichtsverlusten führen. (16,25 – 28) Darüber hinaus sind fettarme Diäten zwar nicht per se ungesund, aber der Verzicht auf Fett in der Ernährung kann gefährliche Auswirkungen haben, insbesondere wenn es zu einer Mangelversorgung essentieller Omega-Fettsäuren kommt. Dass gesättigte Fette die Hauptursache für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind, ist übrigens nur ein weiterer Mythos (25 – 28).
Myhtos 4 – Eigelb ist ungesund
Ja, cholesterinreiche Lebensmittel können bei vielen Menschen das LDL-Cholesterin Aufkommen erhöhen. Im Durchschnitt gesehen fällt diese Erhöhung jedoch nur in geringem Maße aus (29) Da einige der Mikronährstoffe und andere bioaktive Verbindungen in Eigelb die Cholesterinabsorption stören, stellen einige Studien in Verbindung mit dem Verzehr von Eiern keinen Anstieg des Cholesterinspiegels fest (30-33). Weiterführend existieren unterschiedliche Untersuchungsergebnisse hinsichtlich eines Zusammenhangs von Eiern und einem erhöhten kardiovaskulären Risiko (34-42). Häufig treten signifikante Erhöhungen bei Personen auf, die besonders sensibel auf Nahrungs-Cholesterin reagieren (43,44).
Fazit
Per se lässt sich nicht klar feststellen, dass Eier bzw. Eigelb das Cholesterinaufkommen in dem Maße erhöhen, dass es hierüber zu einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen kommt. Für Freunde des regelmäßigen Eierverzehrs macht es sicher Sinn, sich in regelmäßigen Abständen via Blutmarker, Kenntnis über das Aufkommen an Cholesterinen zu verschaffen.
Mythos 5 – Rotes Fleisch schadet der Gesundheit
Verbindungen wie beispielsweise polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die in geräuchertem Fleisch vorkommen, schädigen nachweislich das Genom. Eine solche Schädigung ist der erste Schritt zu potenziellen Ausbildung diverser Krebsarten. Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass verarbeitete rote Fleischvarianten, insbesondere solche, die bei der Zubereitung stärker verkohlt werden, ein größeres Krebsrisiko für Menschen mit schlechter Ernährung und schlechter Lebensweise darstellen können (45,46).
Befürchtungen, rotes Fleisch würde generell Krebs verursachen sind stark übertrieben. Wer den Verzehr von rotem Fleisch mäßigt, regelmäßig Sport treibt, genug Obst und Gemüse isst, ausreichend Ballaststoffe zu sich nimmt, nicht raucht und nur in Maßen Alkohol trinkt, braucht sich vor der Fleischkomponente dieses Konstrukts keine Sorgen machen. Ein gesunder Lebensstil ist insgesamt wichtiger als die Einschränkung des Verzehrs von rotem Fleisch. Wer dennoch besonders vorsichtig sein möchte, kann den Verzehr auf drei Portionen pro Woche (1 Portion zu etwa 85Gramm) beschränken sowie von der Aufnahme gepökelter, geräucherter oder stark verarbeiteter Fleischwaren absehen (47,48).
Fazit
Einem Lebensmittel beim Thema Gesundheit den schwarzen Peter zuzustecken erscheint als sehr engstirnig und wenig weitblickend. Gesundheit setzt sich immer aus einer Vielzahl an Faktoren des Lebensstils zusammen. Ernährung ist einer dieser Faktoren. In Hinblick auf Fleisch macht es sicher Sinn, verarbeitete Varianten weitestgehend zu meiden. Generelle Fleischabstinenz erscheint auf anderen Seite weder sinnvoll noch notwendig.
Mythos 6 – Salz schadet der Gesundheit
Hinter einigen Mythen verbirgt sich auch ein Körnchen Wahrheit. So zeigen Studien durchaus Zusammenhänge zwischen überschüssigem Salzkonsum und:
- Hypertonie (49)
- Nierenschäden (50)
- einem erhöhten Risiko für kognitiven Beeinträchtigung (51,52)
Auf der anderen Seite handelt es sich bei Salz (bzw. Natrium) um einen essentiellen Mineralstoff mit weitreichenden Effekten für Gesundheit und einen funktionierenden Organismus. Probleme treten meist dann auf, wenn entweder zu viel Natrium oder zu wenig Kalium aufgenommen werden.
Eine Salzreduktion ist wichtig für sog. Natrium-Responder. Man versteht darunter Menschen, bei denen Salz bedingt zu Veränderungen des Bluthochdrucks kommt. Bei ihnen wird eine übermäßige Salzaufnahme mit schädlichen Effekten in Verbindung gebracht. Aber eine drastische Verringerung der Salzaufnahme hat in klinischen Studien keinen einheitlichen Nutzen bewiesen. Für die meisten Menschen erscheint es sinnvoller sich von verarbeiteten Lebensmitteln fern zu halten, als die Salzzufuhr gezielt auf ein Minimum zu reduzieren (53-57).
Fazit
Seinen Salzkonsum grundsätzlich auf ein Minimum zu reduzieren entbehrt jeglicher Grundlage eines sinnvollen Ansatzes. Die genetische Prädisposition entscheidet darüber, inwieweit man auf Salz mit Veränderungen beispielsweise des Blutdrucks reagiert. Insgesamt gilt es, ein ausgeglichenes Verhältnis der Aufnahme von Natrium und Kalium anzustreben.
Mythos 7 – Brot schadet der Gesundheit
„Brotmuffel“ warten gerne mit zwei großen Argumenten auf, die gegen seinen Verzehr sprechen sollen:
- Brot macht dick
- Brot enthält Gluten
Natürlich macht Brot per se nicht dick. Die meisten Brotsorten warten jedoch mit einer hohen Kaloriendichte auf was es einfacher macht, sich mit über seinen Bedarf hinaus mit Kalorien zu versorgen. Weiter wird Brot in den seltensten Fällen alleine verzehrt, sondern belegt mit ebenfalls hochkalorischen Zutaten wie Butter, Erdnussbutter, Marmelade oder Honig. Auch dies kann hyperkalorische Ernährung fördern und damit eine Gewichtszunahme begünstigen. Prinzipiell handelt sich bei Brot durchaus um einen Bestandteil gesunder Ernährung, solange sein Verzehr nicht andere nährstoffreiche Lebensmittel wie Obst oder Gemüse vom Speiseplan verdrängt. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang weiter die Unterscheidung von Brot aus vollem Korn oder raffiniertem Getreide (58-60)
Kritiker behaupten, Gluten als Bestandteil vieler Getreidesorten sei per se eine Gefahr für die Gesundheit der Allgemeinheit. Dies erweist sich basierend auf der aktuell verfügbaren Literatur jedoch als starke Übertreibung. Wenngleich außer Frage steht, dass bestimmte Menschen empfindlich auf Weizen reagieren, bedeutet dies nicht, dass automatisch enthaltenes Gluten hierfür verantwortlich gemacht werden kann. Nicht selten sorgen andere Bestandteile wie beispielsweise FODMAPS für Störungen der Verdauung (61-65). Weiter kritisch sehen Studien den unnötigen Verzicht auf glutenhaltige Produkte in Hinblick auf Nährstoffdefizite die daraus entstehen können (66).
Fazit
Brot ist Grundnahrungsmittel und muss dennoch immer wieder jähe Kritik einstecken. In der Variante als Vollkornbrot handelt es sich um einen guten Lieferanten für Nähr- und Ballaststoffe aber auch für Kalorien, weshalb man die Brotmenge insgesamt überwachen sollte um bei Kalorien nicht über das Ziel hinaus zu schießen. Die Anti-Gluten-Bewegung basiert insgesamt auf einem sehr schwachen Studiengerüst. Während Gluten für Zöliakie-Patienten zwingend zu meiden ist, gibt es keinen Grund ein „Verbot“ für die Allgemeinheit gut zu heißen.
Resümee
Einer dieser 7 Mythen hast du bestimmt schon einmal gehört, vielleicht von einem Freund, in den sozialen Medien oder in einem Blog gelesen. Fehlinformationen sind weit verbreitet, schwer zu erkennen und verbreiten sich leider viel schneller als die Fakten. Welche Ernährungsmythen ebenfalls ihre Runde machen und ob diese auch der Wahrheit entsprechen, erfährst du im bevorstehenden zweiten Teil. Stay tuned!
Sportliche Grüße
Holger Gugg
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Quellen
(1)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24852037/
(2)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9614169/
(3)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19279077/
(4)
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(5)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22127335/
(6)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19419322/
(7)
https://jasn.asnjournals.org/content/31/8/1667
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https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30383278/
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