Nach Teil 1 und Teil 2 unserer BLOG-Reihe zu gängigen Mythen der Ernährung gehen wir heute mit 6 weiteren Thesen in den dritten und letzten Teil.
Viel Spaß beim Lesen!
Mythos 15 – Häufiges Essen kurbelt den Stoffwechsel an
Immer wieder liest man von der Theorie, häufigere kleiner gehaltene Mahlzeiten würden den „Stoffwechsel ankurbeln“ (1). „Stoffwechsel ankurbeln“ meint entweder den Ruheumsatz positiv zu beeinflussen oder via Ernährung den sogenannten Thermic Effect of Food anzuheben. Er definiert die Energie, die benötigt wird, um Nahrung zu verdauen und aufgenommene Nährstoffe aus Lebensmitteln tatsächlich zu verwerten.
Eine Studie von Kazunori Ohkawara et al (2) deutet darauf hin, dass kleineren Mahlzeiten das Gefühl von Sättigung verringern und hierüber zu einer insgesamt erhöhten Nahrungsaufnahme beitragen können. Auf der anderen Seite darf man sich von wenigeren aber größere Mahlzeiten größere Stoffwechselreaktionen versprechen (2, 3). Insgesamt deutet die verfügbare Datenlage darauf hin, dass sich aus der Anzahl der Mahlzeiten bei ansonsten gleicher Kalorienmenge kein merklicher Unterschied auf den Stoffwechsel bemerkbar macht von dem man profitieren könnte. Es darf zudem eine gewisse Individualität angenommen werden, weshalb man in der Praxis eine Mahlzeitenfrequenz planen sollte, mit der man am besten durch den Tag kommt (1, 3-5).
Fazit:
Öfter wenig, oder weniger oft mehr zu essen macht aus metabolischer Sicht keinen Unterscheid den man als allgemeingültig erklären könnte. Wähle die Anzahl deiner Mahlzeiten nach persönlicher Präferenz aus.
Mythos 16 – Das Frühstück sollte nicht in Vergessenheit geraten
Den Satz „Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages!“ kennst du sicher. Mehrere Studien wie die von Hania Szajewska (6) oder Guinter (7) zeigten, dass Breakfast-Skipper insgesamt einen höheren BMI aufweisen als Menschen die regelmäßig frühstücken. Wie es scheint werden morgens ausgelassene Kalorien häufig im Laufe des Tages kompensiert oder im schlimmsten Fall in großer Menge in den Abend verschoben (8). Zwar handelt es sich bei vielen der zu diesem Thema durchgeführten Studien um Beobachtungsstudien, das Vorgehen gestaltet sich dennoch aus zirkadianer Sicht als suboptimal. Hierzu möchte ich euch in HBN 2.0 ausführliche Rede und Antwort stellen. Neben negativen Einflüssen im Sinne einer zirkadianen Dysregulation mit all ihren Folgen, übt Breakfast-Skipping übrigens auch einen negativen Effekt auf die kognitive Leistungsfähigkeit aus (9).
Fazit:
Frühstücken oder nicht zu frühstücken kann man sich „antrainieren“. Fest steht, dass unser Biorhythmus darüber entscheidet, wann die Aufnahme von Nahrung insgesamt effektiver von Statten geht und wann nicht. Dieser Grundregulierung zur Folge sollte man früh am Tag mit der Aufnahme von Nahrung beginnen und nicht allzu viel davon in den Abend mit hineinnehmen. Morgens absichtlich zu fasten damit man am Abend einen Haufen Kalorien übrig hat wird mittel- bis langfristig in die Hose gehen!
Mythos 17 – Kein Essen vor dem zu Bett gehen reduziert Körperfett
So oder so ähnlich hat man es dir mit Sicherheit schon einmal versucht zu suggerieren. Wir befinden uns in etwa wieder in derselben Diskussion wie in Punkt 16. Fest steht, dass es auch für die Körperzusammensetzung sinnvoller erscheint, mehr Kalorien in der ersten Tageshälfte zu verzehren als mit in den Abend zu nehmen (10). Heißhunger weil man Kalorien über den Tag gespart hat, Langeweile oder aber „zur Ruhe zu kommen“ sind beliebte Gründe abends zu essen. Natürlich darf man auch abends noch etwas zu sich nehmen ohne befürchten zu müssen seinen Fettabbau dadurch zu gefährden. Mehr als das „ob“ ist es meistens das „wie“ das Probleme bereitet, denn wer verbringt einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher schon mit Möhren oder Gurkenscheiben? Chips, Gummibärchen, Cracker oder Nüsse schlagen allesamt kalorisch stark zu Buche und sorgen in Summe dafür, dass man insgesamt Kalorien über seinem Verbrauch zuführt (10,11).
Fazit:
Spätes Essen stoppt nicht automatisch deine Fettverbrennung. Vermeide dennoch die Aufnahme eines großen Teils deiner Tageskalorien gegen Abend und halte dich bei typischen Dickmachern zurück die den Hunger anfeuern.
Mythos 18 – Cardiotraining auf nüchternen Magen sorgt für schnellere Abnahme
Die Sau des Nüchtern-Cardio wird regelmäßig durchs Dorf getrieben. Seit Jahren werden hierzu Studien gemacht, in denen immer wieder unterschiedliche Ergebnisse zu Tage kommen. Die Studie von Chowdhury et al (12) legt nahe, dass Frühstück vor körperlichen Aktivität die Thermogenese fördert und auf der anderen Seite die Gesamtkalorienaufnahme nicht erhöht. Eine Studie der Northumbria University (13) zeigt, dass körperliche aktive Männer, die ihr Cardiotraining auf nüchternen Magen absolvierten, 20% mehr Kalorien verbrennen, als die Männer die vor deren Cardiotraining gegessen hatten (13,14). Aird et al (15) fand heraus, dass Essen vor dem Training die aerobe Leistung steigert, während Fasten vor dem Training das Gegenteil bewirken kann (15). In der Meta-Analyse von Hackett et al (29) konnte kein klarer Vorteil für Nüchter-Cardiotraining auf das Gewichtsmanagement oder die Körperzusammensetzung festgestellt werden.
Fazit:
Bis heute ist nicht zu 100% belegt ob Cardiotraining auf nüchternen Magen besser ist oder nicht. Manche Menschen fühlen sich energiegeladener, wenn sie ihr Cardiotraining auf nüchternen Magen absolvieren. Andere fühlen sich danach eher benommen und träge. Probiere beides aus und finde selbst heraus was besser zu dir passt.
Mythos 19 – Proteine nach dem Training sind wichtig für die Muskeln
Das „anabole Fenster“ ist bis heute sehr umstritten. Aus meiner Sicht wird es falsch diskutiert, da die wirkliche Relevanz einer zeitnahen Verabreichung von Protein nach dem Training von einer Vielzahl an Faktoren abhängt die allesamt in Studien zu diesem Thema nicht berücksichtigt werden. Hierzu zählen:
- Trainingsstatus
- Alter
- Wie lange habe ich trainiert
- Wie intensiv habe ich trainiert
- Was habe ich vor oder während dem Training zu mir genommen
Fest steht, dass Training unsere Muskeln nicht nur energetisch „entlädt“, sondern diese auch strukturell beschädigt. Der Reparaturprozess mit samt seinen Adaptionen ist es, in dem Muskelwachstum stattfindet (16). Matthew Stark et al (16-18) zeigten in deren Studien, dass eine Protein-Supplementierung sowohl vor als auch nach dem Training die körperliche Leistungsfähigkeit, Regeneration, Muskelhypertrophie und Kraft unterstützt. Aragon und Schönfeld (19) äußern sich uneinig zu klaren, verallgemeinerbaren Vorteilen einer zeitnahen Verabreichung von Protein nach Training, sprechen sich dennoch dafür aus.
Fazit:
Einst wurde propagiert, dass Muskelkatabolismus allen droht, die nicht direkt nach dem Training einen Shake zu sich nehmen. Heute dehnt man die zeitliche Spanne des anabolen Fenster auf einige Stunden nach dem Training aus, räumt dem Proteinshake nach dem Training aber dennoch eine gewisse Bedeutung ein. Die tatsächliche Relevanz für den einzelnen hängt von einer Vielzahl an Variablen ab. Eines wurde bei allen zu diesem Thema durchgeführten Studien nie nachgewiesen, nämlich ein Nachteil aus einem Post-Workout-Shake.
Mythos 20 – Creatin erhöht deinen Testo-Spiegel schadet aber den Nieren
Von allen Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich bei Creatin um das am besten untersuchte (20-22). Neben klar belegten Vorteilen wie den Anstieg von Kraftleistungen im Maximalkraftbereich, werden unzählige weitere Vorteile einer regelmäßigen Verabreichung wie beispielsweise ein potenzieller Anstieg des Testosteronaufkommens diskutiert. Immer wieder poppt auch negative Presse zu Creatin auf, insbesondere in Hinblick auf die Nierengesundheit.
Die meisten Studien gehen von einer ausbleibenden signifikanten Wirkung von Creatin auf den Testosteronspiegel aus (27, 28). Langzeitstudien haben festgestellt, dass die Einnahme von 10g Creatin pro Tag, die Nierengesundheit bei Menschen mit gesunden Nieren nicht beeinträchtigt (23). Begrenzte kurzfristige Beweise deuten darauf hin, dass auch Menschen mit suboptimaler Nierenfunktion Creatin bedenkenlos ergänzen können, sofern die empfohlene Dosierung eingehalten wird (23 – 26).
Fazit:
Creatin dient in erster Linie für die Kraftsteigerung. Es verbessert die Zellhydration und erwies sich in vielen Studien zudem hilfreich zum Muskelaufbau oder aber im Kampf gegen Sarkopenie. Ein Effekt auf den Testosteronspiegel gilt derzeit als nicht belegt, ebenso wie ein schädigender Effekt auf die Nieren bei korrekter Anwendung.
Resümee
Die meisten dieser insgesamt 20 Mythen hast du mit Sicherheit schon einmal zu Ohren bekommen, denn Fehlinformationen verbreiten sich leider viel schneller als die Fakten.
Deshalb ein Rat von mir: Glaub nicht immer alles auf das erste Mal, sondern mach dich wirklich schlau durch verifizierte Studien.
Sportliche Grüße
Holger Gugg
Quellen:
1.
https://examine.com/nutrition/do-i-need-to-eat-six-times-a-day-to-keep-my-metabolism-high/
2.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23404961/
3.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19943985/
4.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30925707/
5.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/9155494/
6.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20112153/
7.
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6766424/
8.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28063876/
9.
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1878450X17300045
10.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23512957/
11.
https://examine.com/nutrition/does-eating-at-night-make-it-more-likely-to-gain-weight/
12.
https://academic.oup.com/ajcn/article/103/3/747/4569579
13.
https://www.sciencedaily.com/releases/2013/01/130124091425.htm
14.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30334499/
15.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29315892/
16.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23241341/
17.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28399016/
18.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24299050/
19.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23360586/
20.
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0765159711001171
21.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17136944/
22.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14685870/
23.
https://examine.com/nutrition/does-creatine-cause-kidney-problems/
24.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15273072/
25.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12500988/
26.
https://academic.oup.com/ckj/article/4/1/23/376016
27.
Can creatine increase your testosterone levels? | Examine.com
28.
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19741313/
29.
https://www.mdpi.com/2411-5142/2/4/43