Probiotika im Test – Was bringen Milchsäurebakterien
Kein Thema hat in den vergangenen Jahren größeres Aufsehen erlangt als der maßgebliche Einfluss der Darmflora auf die Gesundheit. Interessierte Leserinnen und Leser wissen inzwischen um den weitreichenden Einfluss der Darmflora der bei weitem über eine gut funktionierende Verdauung hinaus geht. Heute spricht man in Zusammenhang mit der Darmflora bereits vom „zweiten Gehirn“. Beinahe täglich liest man von neuen wissenschaftlichen Abhandlungen die sich mit Möglichkeiten auseinandersetzen, die Darmflora und damit die Gesundheit durch gezielte Verhaltensweisen positiv zu beeinflussen. Der heutige Beitrag thematisiert den potenziellen Einfluss von Milchsäurebakterien auf die Darmflora.
Die Darmflora
Der menschliche Organismus wird von etwa 100 Billionen Mikroorganismen besiedelt. Ein Großteil davon befindet sich im Darm. Die Darmflora wird von einer Vielzahl unterschiedlichster Darmbakterienstämme besiedelt die je nach Art und Gewichtung positive aber auch negative Effekte auf die Gesundheit sowie das Wohlbefinden ausüben können. Eine Reihe von Lifestylefaktoren beeinflusst die Darmflora (34-38). Negativ auf die Besiedelung des Darmes können sich auswirken:
- Bewegungsmangel (10)
- Unzureichende Aufnahme von Ballaststoffen (11-14)
- Einnahme von Medikamenten (z.B. Antibiotika) (15,16)
- Überhöhtes Stressaufkommen (17)
- Einseitige Ernährung mit hohem Anteil stark verarbeiteter Lebensmittel (18-20) bei gleichzeitig wenigen Vollkornprodukten (13,14), wenigen fermentieren Lebensmitteln (26,27) oder Produkten mit zu wenigen probiotischen Bestandteilen (21-23)
- Zu hoher Anteil tierische Produkte in der Ernährung (24-28)
- Alkoholkonsum und Rauchen (31-33)
- Übergewicht
Interessant
Gegenüber dem was man in Tierversuchen mit hohen Verabreichungsmengen nachweist (29,30) gibt es derzeit keinen klaren Hinweis auf signifikante Veränderungen der menschlichen Darmflora durch künstliche Süßstoffe (44)
Fazit
Eine Reihe heutzutage üblicher Lebensgewohnheiten fördert ein Ungleichgewicht der Darmflora mit seinen weitreichenden Auswirkungen auf die Gesundheit
Übergewicht und die Darmflora
In der Wissenschaft wird diskutiert, inwieweit gewisse Bakterienstämme Heißhunger und die Vorliebe für bestimmte „ungesunde“ Lebensmittel fördern (5). Untersuchungen sehen auf der anderen Seite eine Möglichkeit, die Entstehung von Adipositas durch die Verwendung gewisser Bakterienstämme positiv zu beeinflussen (40-43).
Louis et al. (6) haben den Aufbau der Darmflora während und nach einem Abnehm-Programm untersucht. Die Probanden nahmen über eine Versuchsdauer von 6 Monaten nur 800 Kalorien täglich zu sich und wurden nach dieser Zeit über weitere 1,5 Jahre nachbeobachtet. Auffällig war, dass bestimmte Bakterienstämme häufiger vorkamen als andere. Während gewisse Bakterienstämme in größerer Menge vornehmlich bei Normalgewichtigen festzustellen waren, gab es auch einige Vertreter die insbesondere bei vorherrschenden metabolischen Krankheiten nachweisbar waren. Insgesamt stellten die Forscher diätbedingte Veränderungen an 56 Bakterienarten fest, die sich jedoch bereits 3 Monate nach der Abnehm-Maßnahme wieder auf den Ursprung zurückbildeten (39).
Fazit
Während eine gesunde Darmflora das Risiko der Entstehung von Übergewicht zu reduzieren vermag, kann eine unausgeglichene Darmflora dieses sogar fördern. Auch bestehendes Übergewicht und/oder Adipositas verändern die Darmflora.
Interessant
Etliche Untersuchungen deuten inzwischen an, dass die Darmflora auch in die Immunabwehr involviert ist. Ein „Ungleichgewicht“ der Darmflora soll zudem mit Arteriosklerose und weiteren Krankheiten in Verbindung stehen.
Einfluss von Probiotika bzw. Milchsäurebakterien auf die Darmflora
Milchsäurebakterien allgemein
Bei Probiotika handelt es sich um lebende Bakterien, die das Gleichgewicht der Darmflora positiv oder negativ beeinflussen können. Milchsäurebakterien zählen zur Probiotika-Gattung die in den meisten Fällen einer positiven Beeinflussung der Darmflora zuträglich sind.
Milchsäurebakterien umfassen 6 Familien mit etwa 40 Gattungen, die sich in deren Wachstumsrate, der Gärungsaktivität, dem Kohlenhydrat-Abbauweg, der Phasenresistenz sowie der Geschmacks- und Aromabildung unterscheiden. Zu den Milchsäurebakterien zählen alle Genera die in der Lage sind Milchsäure zu produzieren. Dazu gehören u.a. Lactobacillus, Lactococcus, Enterococcus, Streptococcus, Pediococcus, Leuconostoc, Weissella und Carnobacterium. Sie finden sich in bestimmten Lebensmitteln, Arznei- oder Futtermitteln.
Untersuchungen, die sich mit gesundheitsförderlichen Eigenschaften von Milchsäurebakterien auseinandersetzen, kommen zu dem Ergebnis, dass sie Lactoseintoleranz verbessern, Diarrhoe verkürzen oder krebsfördernde Enzyme senken. (3) In der heutigen Zeit werden einzelne Bakterienstämme gerne selektiert und gezielt eingesetzt. Eine vielversprechende Gattung ist die der Laktobazillen (Lactobacillus).
Milchsäurebakterium – Lactobacillus
Beim Lactobacillus handelt es sich um die wohl bekannteste Gattung unter den Milchsäurebakterien.
- Lactobacillus acidophilus entlastet den Organismus in Hinblick auf Gasentwicklung, verbessert die Laktoseintoleranz, zeigt eine 61%ige Reduktion von E.coli, senkt den Cholesterinspiegel, bildet Vitamin K und verbessert das darmassoziierte lymphatische Gewebe (darmassoziiertes Immunsystem).
- Lactobacillus casei schaltet sich in die Bekämpfung von Infektionen ein.
- Lactobacillus brevis erhöht die Zellimmunität, verbessert die natürlichen T-Killerzellen und tötet gewisse Bakterien ab.
- Lactobacillus bulgaricus bekämpft schädliche Bakterien die in das Verdauungssystem eindringen und stabil genug sind, dem Magentrakt sowie Verdauungssäften zu widerstehen. Der Stamm neutralisiert des Weiteren Toxine.
- Lactobacillus rhamnosu hilft bei Harnwegsinfektionen, Atemwegsinfektionen und unterstützt eine gesunde Haut und das bakterielle Gleichgewicht.
- Lactobacillus rhamnosu kann auch in Hinblick auf Stress interessant sein. (1)
- Lactobacillus plantarum und Lactobacillus gasseri reduzieren die Produktion der „Hunger-Hormone“ AgRP und Neuropeptid Y was sich auf das Hunger- und Sättigungsempfinden auswirken kann.
Neben aller positiver Effekt von Laktobazillen gibt es auch Vertreter mit potenziell negativen Eigenschaften. So findet sich Lactobacillus reuteri in höherer Menge als üblich bei Übergewichtigen, weshalb man ihn mit dessen Förderung in Verbindung bringt. Nichtsdestotrotz gelten die meisten Vertreter der Laktobazillen als „gute“ Bakterien (6,7,8).
Welche Probiotika sind zu empfehlen
Fazit
Bei Probiotika handelt es sich um lebende Bakterien, die das Gleichgewicht der Darmflora beeinflussen. Milchsäurebakterien zählen zu den Probiotika. Der Begriff umfasst eine Vielzahl an Bakterien die sich allesamt in deren Eigenschaften unterscheiden.
Anmerkung
Die Eigenschaften einzelner Lactobacillus-Stämme lesen sich wahrlich hervorragend und man würde sie am liebsten allesamt einsetzen. In der Praxis gestaltet sich die Verwendung körpereigener, einzelner, probiotischer Stämme dennoch problematisch, da für gewöhnlich kaum jemand Kenntnis über die spezifische Beschaffenheit seiner Darmflora hat und aus diesem Grund nicht definiert werden kann, welche Stämme in welcher Kombination und Menge individuell einen Vorteil bedeuten. Kombinations-Präparate liefern vordefinierte, nicht individualisierte Zusammensetzungen von denen nicht klar ist, ob und falls ja wie optimal sie der Einzelpersonen helfen können oder eben nicht. Die Zahl an Präparaten mit unterschiedlichen Zusammensetzungen scheint unendlich, weshalb der Verbraucher sich hier vor einer großen Hürde wiederfindet, ein wirklich für sich passendes Produkt auszuwählen.
Bei Body—Coaches verfolgen wir aus diesem Grund den Einsatz eines Stammes namens Bacillus Subtilis. Das körperfremde Bakterium sorgt gezielt für Wiederherstellung des Darmflora-Gleichgewichts und fördert die Revitalisierung.
Was bringt mir mein Joghurt?
Der Volksmund assoziiert „Probiotika“ meist mit dem Einsatz von Joghurt und anderen Milchprodukten. Natürlich ist sich auch die Industrie dieser Tatsache bewusst, weshalb hiermit bereitwillig geworben wird. Die Frage die sich stellt ist, inwieweit sich Joghurt und Co. wirklich als Lieferant für Probiotika eignen?
Ein Blick in die Geschichte verrät, dass schon um die Jahrhundertwende Joghurt zur Behandlung und Prophylaxe gastrointestinaler Infektionskrankheiten eingesetzt wurde. Bis zum heutigen Tage existiert zu lebenden Joghurtkulturen ein Health-Claim und damit ein, wie es scheint, ausreichender Wissenschaftlicher Hintergrund der sogar eine „werbende“ Aussage rechtfertigt (3,4). So heißt es konkret: „Die Verdauung der im Produkt enthaltenen Lactose wird durch Lebendkulturen in Joghurt oder fermentierter Milch bei Personen, die Probleme mit der Lactoseverdauung haben, verbessert.“ Dies ist jedoch nur zulässig, wenn „der Joghurt bzw. die fermentierte Milch mindestens 10^8 koloniebildende Einheiten lebender Startermikroorganismen (Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus und Streptococcus thermophilus) je Gramm enthalten.“ (2) Mit diesem Hintergrund wäre aktuell eine Einnahme nicht hitzebehandelter, fermentierter Milchprodukte an zu raten. (3)
Anmerkung
Aktuelle Studien wie die von Zmora et al (45) sehen auch in der Effektivität von Probiotika aus Joghurt eine hohe Individualität. Abhängig von der Beschaffenheit der Mikrobiotika und bestimmten Genexpressionsmustern im Magendarmtrakt siedeln sich Bakterien aus Joghurt bei manchen Menschen an und zeigen eine Wirkung, bei anderen aber nicht. Auch gibt es Hinweise darauf, dass in bestimmten Fällen Probiotika aus Joghurt die Rekonstruktion der natürlichen Darmflora nach Antibiotika-Einnahme sogar behindern (46)
Fazit
Joghurt oder im Allgemeinen fermentierte Produkte werden nach wie vor als gute Quellen für Probiotika gehandelt. Die tatsächliche Effizienz ergibt sich wie es scheint aus einigen individuellen Gegebenheiten und ist nicht garantiert
Kombination mit Präbiotika
Bei Präbiotika handelt es sich um Stoffe, die gewisse Darmbakterien mit Nährstoffen versorgen die diese wiederum zur Energiegewinnung und Vermehrung nutzen können. Aus deren Verwendung ergibt sich, wenn man so möchte, ein kräftigender und erhaltender Effekt einer gesunden Mikrobiotika. Damit ein derartiger Nutzen eintreten kann ist es wichtig, dass diese Stoffe nicht im oberen Dünndarm hydrolysiert oder resorbiert werden und intakt im Dickdarm ankommen. Zu effektiven Präbiotika zählen verschiedene Oligosaccharide, v.a. Inulin und andere Fructooligosaccharide. Auch andere lösliche Ballaststoffe wie Pektin werden im Dickdarm fermentiert. Im Gegensatz zu oben genannten fördern sie jedoch unspezifisch die Vermehrung aller Keime, während Inulin und Co. vorwiegend „gute“ Bakterienstämme „füttern“ (3,9).
Fazit
Präbiotika nähren im Dickdarm angesiedelte Bakterienstämme und fördern damit den Erhalt einer starken, leistungsfähigen Darmflora
Resümee
Der Darmflora wird im Gesundheitsbereich zunehmend mehr Aufmerksamkeit gewidmet und das aus gutem Grund. Eine Reihe von Einflussfaktoren des täglichen Lebens fördert ein Ungleichgewicht der Darmflora mit all seinen Auswirkungen. Abhilfe soll hier die Einnahme von Probiotika über die Ernährung aber auch via Ergänzung sorgen. Milchsäurebakterien zählen zu den Probiotika mit äußerst interessanten Effekten. Der Einsatz einzelner oder auch kombinierter Milchsäurebakterien-Stämme ist in einigen Fällen sicher in der Lage die Beschaffenheit der Darmflora zu verbessern. Ein Anspruch auf Allgemeingültigkeit eines Effekts ausgehend von Milchsäurebakterien besteht jedoch nicht, weder aus Ergänzungen noch aus natürlichen Quellen wie Joghurt oder anderen fermentierten Produkten. Präbiotika eignen sich nur Ernährung der bestehenden Darmflora und erweisen sich als solches hilfreich zu deren Kräftigung.
Sportlicher Gruß
Holger Gugg
www.Body-Coaches.de
Quellen
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5986552/
- https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32012R0432&qid=1403863040750&from=DE)
- Taschenatlas der Ernährung (2015). 6., überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme.
- Schubert, Sven (2008): Biochemie. Stuttgart: UTB (UTB basics, 3118).
- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/bies.201400071
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20216555
- https://www.researchgate.net/publication/44683550_Lactobacillus_plantarum_strain_No_14_reduces_adipocyte_size_in_mice_fed_high-fat_diet
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21829158
- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1046/j.1365-2672.2002.01719.x
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29166320
- https://nutritionj.biomedcentral.com/articles/10.1186/1475-2891-13-34
- http://www.nature.com/articles/nature16504
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24495527
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27079516
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29221800
- https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmicb.2015.01543/full
- https://news.gsu.edu/2018/03/08/social-stress-leads-changes-gut-bacteria-study-finds/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27110483
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29195678
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27110483
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23135760
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23303873
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22555633
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24336217
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24115628
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25431456
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25431456
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21811294
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25231862
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25313461
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2433621
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3597605/
- http://www.microbiomeinstitute.org/blog/2015/6/11/cigarette-smoke-changes-the-gut-microbiome
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25656825
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21508958
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24336217
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25498959
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23985875
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26919743
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23985870
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21885731
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20679230
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24009397
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4615743/
- https://www.cell.com/cell/pdf/S0092-8674(18)31102-4.pdf
- https://www.cell.com/cell/pdf/S0092-8674(18)31108-5.pdf