Bei Spirulina handelt es sich um eine Blaualge, die schon bei den alten Azteken zum Einsatz kam. Heute findet man Spirulina vor allem als Nahrungsergänzung in Form von Kapseln, Pulver, Presslingen oder Flocken auf dem Markt. Seine Popularität erlangte Spirulina durch die NASA. Schon 1988 verwendete diese Spirulina als bioregenerative, photosynthetische und essbare Alge für die Raumschiffbesatzung. Ausgewählt wurde sie wegen ihrer ernährungsphysiologischen Qualität und der Tatsache, dass der Proteingehalt der Alge unter optimalen Wachstumsbedingungen auf fast 70% ansteigen kann.
Interesse geweckt? Falls ja viel Spaß beim heutigen Beitrag, der einige interessante Fakten liefert und zudem versucht zu beantworten, inwieweit der Einsatz von Spirulina auch interessant für Sportlerinnen und Sportler sein kann.
Nährstofflieferant
Ein Einblick in die Nährstoffanalyse von Spirulina zeigt, dass wir es hierbei durchaus mit einem relevanten Lieferanten für unzählige Mengenelemente und Spurenelemente zu tun haben.
Was die Bioverfügbarkeit der enthaltenen Nährstoffe angeht zeigt sich, dass Spirulina hier zumindest teilweise besser abschneidet, als so manch anderer pflanzlicher Nährstofflieferant.
- Am Beispiel Eisen berichtet Peng von einer hohen Bioverfügbarkeit und einfachen Absorption insbesondere bei bestehendem Eisenmangel (21). Kapoor und Mehta sehen die Bioverfügbarkeit von Eisen in Spirulina vergleichbar mit der von tierischen Quellen wie Vollei, hier allerdings im Tiermodell und unter Eisenmangel (22). 2016 wurde diese Feststellung an anämischen Kindern untermauert (23).
- Etwas anders scheint es bei Vitamin B12 auszusehen. Der Gehalt in Spirulina fällt zwar verhältnismäßig hoch aus, allerdings handelt es sich hier hauptsächlich um biologisch inaktive B12-Analoga wie eine Vielzahl an Studien auch am Menschen bescheinigen (3,4,24,25,26)
Vom gut bioverfügbaren Anteil an Mikronährstoffen in Spirulina darf man sich erwiesenermaßen gesundheitlich positive Effekte versprechen. Einige Beispiele, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, werden hier angeführt:
- Eisen, Folat (Folsäure), Magnesium, Pantothensäure, Riboflavin (B2), Vitamin B6 und Vitamin C tragen zur Verringerung von Müdigkeit und Ermüdung bei
- Biotin, Calcium, Eisen, Jod, Kupfer, Magnesium, Pantothensäure, Phosphor, Riboflavin (B2), Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B6, Vitamin C tragen zu einem normalen Energiestoffwechsel bei
- Biotin und Zink tragen zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen bei
- Folat trägt zu einer normalen Aminosäuresynthese bei
- Zink trägt zu einer normalen Eiweißsynthese bei
- Zink trägt zu einem normalen Kohlenhydrat-Stoffwechsel bei
- Zink trägt zu einem normalen Fettsäurestoffwechsel bei
- Calcium, Kalium, Magnesium tragen zu einer normalen Muskelfunktion bei
- Calcium trägt zur normalen Funktion von Verdauungsenzymen bei
- Vitamin B6 trägt zur Regulierung der Hormontätigkeit bei
- Vitamin B1 (Thiamin) trägt zu einer normalen Herzfunktion bei
- Zink trägt zur Erhaltung eines normalen Testosteronspiegels im Blut bei
Interessant
Die in Spirulina enthaltenen Omega Fettsäuren liegen in einem beinahe ausgeglichenen Verhältnis von 1:1,5 (03:O6) vor.
Quelle für Antioxidantien
Wie oben bereits gezeigt, stellen Forscher Spirulina als hervorragende natürliche Quelle für Antioxidantien heraus. Sie dienen der Zellgesundheit und helfen dem Körper beim „Kampf“ gegen oxidativen Stress. (15,16,17).
Der hauptsächlich aktive Bestandteil mit antioxidativem Potenzial in Spirulina nennt sich Phycocyanin. Phycocyanin verleiht der Alge die einzigartige Farbe. Von Phycocyanin weiß man um seine Fähigkeit, entzündungsfördernde Signalmoleküle zu hemmen (6,16,17). Dies ist immer dann von Relevanz, wenn ein Überaufkommen an Entzündungen die Gesundheit droht zu beeinträchtigen. Chronische Entzündungen können einhergehen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 oder verschiedene Krebsarten (18).
Neben Phycocyanin finden sich noch weitere antioxidative Bestandteile in Spirulina wie beigefügte Darstellung zeigt:
Fazit
Bei Spirulina handelt es sich um einen durchaus potenten, pflanzlichen Mikronährstofflieferanten mit Stärken und Schwächen in Bezug auf die Bioverfügbarkeit. Auch als natürliche Quelle für Antioxidantien kann man Spirulina guten Gewissens in Erwägung ziehen.
Guter Proteinlieferant?
Protein pro Portion
Spirulina wie beispielsweise von Nutri&Co kann zwischen 64 und knapp 70% Protein enthalten (1,28). 10g Spirulina liefert im Durchschnitt so viel Protein wie 35 g Rindfleisch. Ein idealer Cocktail für den Muskelaufbau? Nicht wirklich.
Zum einen muss man den Proteingehalt eines Lebensmittels natürlich über die „übliche Portionsgröße“ relativieren. Gängige Empfehlungen bei Spirulina liefern pro Portion gerade mal 2g Protein. „Nur“ 35g Rindfleisch mit seinen etwa enthaltenen 7g Protein würde man beinahe schon als Beleidung auf seinem Teller ansehen.
Essentielle Aminosäuren
Jede Leserin und jeder Leser von Body-Coaches.de weiß, dass es für echte Effekte auf den Proteinstoffwechsel neben dem Nettogehalt an essentiellen Aminosäuren auch auf die Aminosäure-Matrix und in diesem Zusammenhang insbesondere auf die limitierende(n) Aminosäure(n) ankommt (27).
Essentielle Aminosäuren finden sich in Spirulina wie folgt:
- leucine (47-55 mg g-1)
- phenylalanine (23-28 mg g-1)
- lysine (30-39 mg g-1
- thionine (27-33 mg g-1)
- Isoleucine (31-36 mg g-1)
- valine (31-45 mg g-1)
- tryptophane (7,9-10 mg g-1)
- methionine (9,5-14 mg g-1)
Methionin bildet die sogenannte limitierende Aminosäure. Sie begrenzt den aus der Verabreichung von Protein aus Spirulina resultierenden Proteinaufbau. Die biologische Wertigkeit wird mit 61.67 angegeben (29) – kein schlechter Wert für ein pflanzliches Protein!
Fazit
Daten und Recherchen zu Spirulina als Proteinlieferant mangelt es an Praxisrelevanz. Zwar ist der Gehalt an Protein insgesamt hoch, essentielle Aminosäuren kommen in relevanter Menge vor und selbst die Gewichtung (ausgedrückt über die biologische Wertigkeit und die limitierende Aminosäure) fällt für eine pflanzliche Proteinquelle gut aus. Die Tatsache, dass man mit gewöhnlichen Spirulina-Produkten insgesamt nur wenige Gramm Protein zu sich nimmt relativiert alle genannten Vorteile jedoch wieder. Mikroalgenproteinkonzentrat als Ersatz für tierische Proteinquellen (sinnvoll in Hinblick auf die limitierende Aminosäure kombiniert) könnte ich mir in der Theorie gut vorstellen. Ob ein „Algen-Reis-Protein-Shake“ allerdings auch geschmacklich akzeptabel ist wage ich zu bezweifeln.
ACHTUNG
Man muss an dieser Stelle eindringlich vor unseriösen Anbietern von Spirulina warnen die uns im Rahmen der Recherche aufgefallen sind. Es werden verherrlichende Aussagen getätigt die in die Tiefe gedacht jeglicher Grundlage entbehren! Schade, da so ein eigentlich interessantes Lebensmittel in ein negatives Licht gerückt wird.
Performance
Sehen wir uns nun einmal an, was die Wissenschaft zum Einsatz von Spirulina bei Sportlerinnen und Sportlern sagt.
Sandhu J. & Shenoy S. verabreichten trainierten und nicht trainierten Probanden eine Spirulina Ergänzung über 8 Wochen. Sie maßen Marker rund um Muskelkraft sowie Muskelausdauer und beobachteten nach 8 Wochen einen Anstieg in der isometrischen Muskelkraft sowie der isometrischen Muskelausdauer. Die Kombination aus Spirulina und Training zeigte größere Effekte als beides für sich alleine.
Ergebnisse zum Einsatz von Spirulina bei Ausdauersportlern fallen gemischt aus. So existieren Studien die dem Einsatz von Spirulina bessere Ergebnisse beim Marker „Zeit bis zur Erschöpfung“ sowie eine verstärkte Fettverbrennung verglichen mit Placebo zusprechen. Die Forscher führen die Ergebnisse einerseits auf die antioxidativen Effekte, andererseits auf die verbesserte Fettoxidation zurück. Die Dosierung betrug 6g Spirulina platensis pro Tag für 4 Wochen, verabreicht vor dem Training (8). Sandhu (7) und Baicus (9) berichten im Gegensatz dazu nicht von merklichen Effekten von Spirulina auf Ermüdungserscheinungen mit sportlicher Belastung.
Was physiologisch nicht funktioniert hat, zeigte sich auf der mentalen Seite als wirkungsvoll. Bei Johnsin et al. erwies sich Spirulina als gutes Mittel, um kurzfristig und langfristig die mentale Leistungsfähigkeit zu steigern. Der kleine Haken an dieser Untersuchung ist die Tatsache, dass diese direkt vom Hersteller der verabreichten Ergänzung finanziert wurde.
Gewichtsmanagement
Yousefi et al. untersuchten den Einsatz von Spirulina bei Übergewichtigen Probanden. Nach 12 Wochen stellten sie mit 2g Spirulina eine Abnahme des Körpergewichts, des Taillenumfangs, des Körperfetts und des BMIs in der Interventionsgruppe fest, der bei allen Markern größer als in der Placebogruppe ausfiel (10). Gleiches beobachtete man auch über einen längeren Zeitraum von drei Monaten (12). Zeinalien et al. konnte ebenfalls positive Effekte auf die Körpergewichtsreduzierung in der Spirulina-Gruppe bei ihren Übergewichtigen Probanden feststellen. Zusätzlich (und das kann vor allen Abnehmwilligen helfen, die bereits öfter an Heißhunger gescheitert sind) beobachteten sie eine Reduzierung des Appetits. (11)
In besagten Untersuchungen verbesserten sich auch Marker der Blutfettwerte von Triglycerid-Werten, über HDL-Cholesterin-Werte und LDL-Cholesterin-Werte bis hin zum Gesamtcholesterin (11-12). Auch bei Bagheri et al sorgte die Verabreichung von Spirulina an Sportlerinnen in Rahmen eines Programmes zur Gewichtsreduzierung für Vorteile bei der Gewichtsabnahme, dem Fettabbau, sowie einigen Enzymmarkern und Wachstumsfaktoren (32). Dies lässt Spirulina auch aus gesundheitlicher Sicht als interessante Option für Reduktionsphasen erscheinen, insbesondere bei bestehendem Übergewicht.
Muskelaufbau
Direkte Studien am Menschen die Spirulina mit Muskelaufbau in Verbindung bringen existieren bis dato nicht. Ergebnisse aus Tierstudien zeigen in Verbindung mit Krafttraining eine verbesserte antioxidative Kapazität sowie gedämpfte trainingsinduzierte Erhöhungen von ROS sowie Entzündungsmarkern. Trotz des antioxidativen Effekts sorgten selbst hohe Dosen nicht zu einer Verringerung positiv physiologischer Anpassungsprozesse (30,31)
Resümee
Nach Sichtung aller Daten und Fakten hat sich Spirulina nicht als neues Muskelaufbauwunder erwiesen das Creatin in seiner Rolle als Best-Choice ablösen kann. Auch der oft propagierte hohe Proteinanteil verglichen mit anderen Pflanzen relativiert sich über die übliche Darreichungsmenge die wenn überhaupt nur einen sehr kleinen Beitrag zur Deckung des täglichen Proteinbedarfs leistet. Mikroalgenprotein wäre aus Sicht der biologischen Wertigkeit sicher eine Option zu tierischen Proteinen allerdings nur unter Berücksichtigung der limitierenden Aminosäure. Die Kernkompetenz und damit das was Spirulina aus meiner Sicht am ehesten interessant macht ist sein hoher Gehalt an Mikronährstoffen und Antioxidantien mit mal besserer Mal schlechterer Bioverfügbarkeit. Für Menschen die mit der Deckung des Bedarfs an Mikronährstoffen Schwierigkeiten haben kann man Spirulina guten Gewissens empfehlen, insbesondere als Teil einer Reduktionsphase. Auch für ambitionierte Sportler stelle Spirulina eine mögliche Option dar, vielleicht noch das eine oder andere Prozent an Leistungsfähigkeit heraus zu kitzeln.
Sportlicher Gruß
Quellen
(1)
https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/19890016190.pdf
(2)
http://www.ernaehrung.de/lebensmittel/de/G004500/Spirulina-Pulver.php
(3)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10552882/
(4)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10552882/
(5)
https://www.body-coaches.de/essentielle-aminosaeuren-tierische-und-pflanzliche-proteine-im-vergleich
(6)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19299804/
(7)
(8)
(9)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17335116/
(10)
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0965229918306964
(11)
https://bmccomplementmedtherapies.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12906-017-1670-y
(12)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28617537/
(13)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4320919/
(14)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3576896/
(15)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12639401/
(16)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24691130/
(17)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/12769719/
(18)
https://www.body-coaches.de/aronia-natuerliches-antioxidans-der-superlative
(19)
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK493173/
(20)
https://www.researchgate.net/publication/309209797
(21)
http://psasir.upm.edu.my/id/eprint/6562/
(22)
https://link.springer.com/article/10.1007/BF01088480
(23)
(24)
https://www.researchgate.net/publication/21154835
(25)
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23782218/
(26)
https://journals.sagepub.com/doi/10.3181/0703-MR-67
(27)
https://www.body-coaches.de/hbn-eaa-code-warum-wofuer-und-wie
(28)
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1757-899X/509/1/012031/pdf
(29)
https://www.atlantis-press.com/proceedings/icistis-19/125922479
(30)
https://link.springer.com/article/10.1007/s00394-008-0740-9
(31)
https://www.nature.com/articles/s41598-020-63272-5
(32)