Wie wichtig sind Kohlenhydrate wirklich für Kraftsport und Bodybuilding?
Während Kohlenhydrate im Ausdauersport etabliert sind und als wichtig erachtet werden, genießt im Kraftsport und Bodybuilding der Makronährstoff Protein die meiste Aufmerksamkeit. Wenn man sich bei allen Trainierenden in Fitness-Clubs einer Sache sicher sein darf dann, dass sie (beeinflusst über Influencer, Medien und Co) mindestens ausreichend (häufig sicher auch zu viel) Protein konsumieren. Anders sieht es bei Kohlenhydraten aus. Hier gehen die Meinungen auseinander. Variablen im Trainingsaufbau wie der Intensität, dem Volumen, der Dauer von Satzpausen oder Pausentagen zwischen den jeweiligen Trainingseinheiten lösen allesamt unterschiedliche Stoffwechselreaktionen aus, die sich wiederum auch auf den tatsächlichen Bedarf an Kohlenhydraten niederschlagen können.
Ergebnisse aus akuten und chronischen Trainingsstudien deuten einerseits an, dass Kohlenhydratbeschränkung Kraftanpassungen im Rahmen eines Trainings nicht gänzlich vereitelt. Sie zeigen auch, dass eine gewisse Menge an Kohlenhydraten, eingenommen an den Tagen vor Krafttests im Maximal- und Kraftausdauerbereichs, dabei hilft, Leistungswerte zu erhöhen. Obwohl verglichen mit Protein alleine kein merklich positiver Einfluss von Protein plus Kohlenhydraten auf mTOR (ein Marker der Proteinsynthese) ausgeht, werden die Einflüsse von Kohlenhydratentzug auf die Muskelhypertrophie ausgelöst durch Widerstandstraining unterschiedlich dargestellt. Der heutige Artikel stellt die Notwendigkeit von Kohlenhydraten für Krafttraining basierte Sportarten auf den Prüfstand.
Potenzielle Gründe für die Aufnahme von Kohlenhydraten für Kraftsportler und Bodybuilder können sein:
- Ausschüttung von Insulin für die Hemmung des Muskelproteinbreakdown (MPB) (2)
- Befüllung und Re-Synthese von Muskelglykogen zur Energiebereitstellung für Muskelkontraktion
- Verbesserte Regeneration (26)
- Versorgung glukoseabhängiger Systeme
- Verbesserung der Körperzusammensetzung (4)
- Wettkampfs-BB-spezifisch „volle und pralle“ Muskulatur am Wettkampftag (3)
Energiebereitstellung über Kohlenhydrate
Muskelkontraktion erfordert ATP als universelles Energiesubstrat (5). Die Energiebereitstellung zur Aufrechterhaltung der Muskelkontraktion läuft (je nach Belastungsvariablen und Substratverfügbarkeit) auf unterschiedliche Weise ab. Hierzu existieren drei Energiesysteme:
- phosphagenes System (ATP, KrP)
- glykolytisches System (Kohlenhydrate)
- oxidatives System (Fett)
Alle drei Systeme laufen nicht (wie oftmals dargestellt) getrennt voneinander ab, sondern greifen parallel und gehen Hand in Hand. Ein reiner Fettstoffwechsel ist daher ebenso selten wie ein reiner Kohlenhydratstoffwechsel. Faktoren wie die Belastungsdauer oder akut verfügbare Substrate beeinflussen die Inanspruchnahme des jeweils zur Verfügung stehenden Systems.
Die Energiebereitstellung aus Kohlenhydraten gewinnt nach dem energiereichen Abbau des Adenosintriphosphats (ATP) und des Kreatinphosphats (KrP) über das phosphagene System an Bedeutung. (6,7) Hier kommt die Glykolyse (Abbau von Zucker zur energetischen Verwertung) ins Spiel. Sie stellt dem Organismus nach KrP neues ATP, insbesondere bei hoher Intensität im Rahmen der anaeroben Energieerzeugung (unter Ausschluss von Sauerstoff), zur Verfügung. Zwischen der 30. und 180. Sekunde einer kontraktilen Belastung bedient sich das System hauptsächlich aus der Glykolyse. Dies schließt so gut wie jeden „normalen“ Kraft-Trainingssatz mit Ausnahme von Maximalkraft-Sätzen bis 6 Wiederholungen ein (27).
Auch der vorherrschende Blutzucker trägt zur Unterstützung der muskulären Glykolyse bei und unterstützt so seine Effizienz (ein möglicher Grund, gezielt vor dem Training einen moderaten Anstieg des Blutzuckers zu initiieren!) (28). Wird Muskelglykogen verbraucht, führt dies auch zu einer Abnahme von Leistungswerten verursacht durch Nebenprodukte des Stoffwechsels (Wasserstoffione und Laktat). Auf der einen Seite natürlich ein Nachteil, andererseits vermutet man gerade hier auch einen gewissen Einfluss auf Muskelfaserrekrutierung und weiterführend Muskelwachstum (32-35).
Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Kohlenhydraten im menschlichen Körper ist interessant zu wissen, dass diese auf eine Menge von ca. 100g in der Leber und etwa 400g in der Muskulatur (abhängig von der vorhandenen Muskelmasse 250 bis 500g) beschränkt ist. Zum Vergleich sind wir spielend in der Lage, 20 und mehr Kilogramm an Fettspeichern in Form von Triglyceriden mit uns herum zu tragen (22).
Aus dieser Sicht betrachtet wäre der Pro-Kohlenhydrat-Gedanke für Krafttraining orientierte Sportler denkbar einfach:
- Hochintensive Muskelkontraktion verbraucht ATP, KrP und Glykogen
- ATP wird resynthetisiert
- Glykogen wird wieder aufgefüllt
- Sportliche Leistungsfähigkeit passt sich an
Anmerkung
Wenngleich unaufhörlich auf den Trainingssektor geforscht wird, mangelt es derzeit noch an eindeutigen Arbeiten, die explizit Unterschiede in der Substratnutzung auswerten. Im weiteren Verlauf wird daher nur grob unterschieden zwischen:
-Krafttraining (bis 6 Wiederholungen, über 85%-1RM, Satzpausen über 3 Minuten)
-Hypertrophietraining (über 8 Wiederholungen, 60-80%-1RM, Satzpause unter 2 Minuten)
Fazit
Hypertrophietraining findet mehr noch als Krafttraining im Kohlenhydratstoffwechsel statt. Die Speicherfähigkeit für Kohlenhydrate ist im menschlichen Körper begrenzt. Ein Großteil davon findet sich als Glykogen in der Muskulatur, was seine tragende Rolle für die muskuläre Energiebereitstellung nochmals unterstreicht
Unterschiedliche Anforderungen – Training ist nicht gleich Training
Der typische Trainingsaufbau des Bodybuilders
Wie eingangs bereits erwähnt, beeinflussen etliche Faktoren den tatsächlichen Bedarf von Kohlenhydraten im Rahmen sportlicher Belastung. Wenngleich die Wissenschaft unaufhörlich darüber debattiert, welcher Trainingsaufbau die besten Resultate für Muskelhypertrophie verspricht, halten sich in der Praxis die meisten Trainierenden an einen Aufbau mit:
- 15 bis 20 Sätzen pro Muskelgruppe
- 8 bis 16 Wiederholungen pro Satz
- Satzpausen mit ca. 60 Sekunden
Unterschied im tatsächlichen Energieverbrauch
Hinsichtlich des gesamten Energieverbrauchs lassen sich in Abhängigkeit des Trainingsaufbaus folgende Unterschiede festhalten:
- Je mehr Muskulatur ein Training involviert, desto höher fällt der Energieverbrauch aus
- Mehr Sätze verbrauchen verglichen mit nur einem Trainingssatz mehr Energie
- Höhere Wiederholungszahlen (~25) und kürzere Satzpausen mit 30-60 Sekunden führen zu einem höheren Energieverbrauch als niedrige Wiederholungen (~5) und Pausen von 3-5 Minuten (24).
- Die Faktoren sind abhängig vom „Workload“ und der Zeit unter Spannung (22,23)
Muskelglykogen – So viel verbraucht Krafttraining wirklich
Eine große Angst, die in der Fitness- und Bodybuilding-Szene fortwährend kursiert, ist die der vollständigen Entleerung muskulärer Glykogenspeicher. Damit verbunden:
- einem akuten verbundenen Leistungsabfall,
- einer verzögerten Regeneration,
- eines Verlusts des allseits beliebten Muskel-Pumps
Fadenscheinige Konzepte wie CBL (CarbBackLoading) schüren diese Ängste und empfehlen aus diesem Grund die tägliche Wieder Befüllung von 100% der gesamten Glykogen-Kapazität.
Wie viel Glykogen im Rahmen eines konventionellen Trainings wirklich verloren geht, zeigen mitunter Roy and Tarnopolsky (31). Hier kommt es zu einer 36%-igen Reduktion des Muskelglykogens im vastus lateralis (äußere Teil des Quadrizeps) nach 3 Runden eines Ganzkörpertrainings mit 3 Sätzen Beinpresse, 6 Sätzen Beinstrecken und 6 Oberkörperübungen mit je 10 Wiederholungen bei 80% 1-RM. Pascoe et al. (21) sprechen von einer 29%igen Reduktion des Muskelglykogens nach 6 Sätzen mit 6 Wiederholungen Beinstrecken bei 70% 1-RM. Beide Untersuchungen deuten an, dass nahezu kein konventionelles Krafttraining auch nur im Ansatz in der Lage ist Muskelglykogen-Reserven komplett zu leeren.
Lange gab es keine Studiendesigns in denen ein klassisches Hypertrophietraining absolviert wurde. Tesch et al. (20) nahmen sich dieser Lücke an und ließen Probanden ein typisches Beintraining absolvieren. Vordere und hintere Kniebeugen, Beinpresse und Beinstrecken in je 5 Sätzen á 6-12 Wiederholungen standen auf dem Programm. Die Sätze wurden allesamt bis zum Muskelversagen absolviert. Die Pausen zwischen den Sätzen lagen bei einem Verhältnis von 1:2 zu den Arbeitssätzen und näherten sich 60 bis 90 Sekunden an. Wie sich zeigte, lag der tatsächliche Verbrauch bei Muskelglykogen mit 26% sogar noch unter den Werten aus vorherigen Untersuchungen!
Anmerkung
Ein dieser Stelle sei ein passender Exkurs zum Thema Muskelglykogen erlaubt. Aufmerksame Leserinnen und Leser besitzen das Buch „Human Based Nutrition“, in dem das Thema Muskel- und Leberglykogen ausführlich behandelt wird.
Intensität
Mit steigender Trainingsintensität (25%, 65%, 85%-1RM) lässt sich eine Zunahme des Kohlenhydratverbrauchs feststellen. Nahe 85%-1RM wird die zu verbrennende Energie beinahe ausschließlich aus Kohlenhydraten (Glukose und Glykogen) bereitgestellt. Bei einer Intensität von 65%-1RM versorgt sich der Energiestoffwechsel in etwa zu gleichen Teilen aus Glykogen und Muskeltriglyceriden (1). Nach Tesch et al (18) nimmt der muskuläre Glykogenbestand bei einer Intensität von 60%-1RM am deutlichsten ab, während mit 30 und 45%-1RM geringere Reduzierungen messbar waren. Robergs et al. (17) stellten bei 70% 1-RM im Vergleich zu 35% 1-RM bei 6 Sätzen und 6 Wiederholungen Beinstrecken eine erhöhte Glykolyse fest, allerdings konnte nach Angleichung des Workload insgesamt kein Unterschied im Gesamt-Glykogenverbrauch gemessen werden.
Fazit
Eine Menge Trainingsvariablen wirken sich direkt auf den echten Energie- und auch Kohlenhydratverbrauch unter Belastung aus. Der tatsächliche Glykogenbedarf im Rahmen eines konventionellen Krafttrainings wird häufig hoffnungslos überschätzt. Er bewegt sich je nach Trainingsaufbau im Bereich von 26 bis 36%! Höhere Wiederholungszahlen bei niedrigen Satzpausen sorgen vergleichsweise für einen hohen Energiebedarf. Steigende Intensitäten sorgen bis zu einer gewissen Schwelle insgesamt für einen höheren Energiebedarf aus Kohlenhydraten.
Weniger Leistung durch weniger Kohlenhydrate?
„Ja“ und „Nein“ zu Effekten der Kohlenhydratverfügbarkeit auf die Leistung
Aus den bisher dargelegten Erkenntnissen müsse sich eigentlich der Schluss ergeben, dass eine schlechte Kohlenhydratversorgung (je nach Trainingsaufbau mal etwas mehr und mal etwas weniger) gleichbedeutend mit Leistungseinbußen wäre.
Interessanterweise gehen die Ergebnisse in dazu durchgeführten Untersuchungen weit auseinander. Leveritt und Abernethy (15) stellen bei deren Probanden im Rahmen isoinertialen Kniebeugen (80% 1-RM) tatsächlich eine verringerte Anzahl abgeleisteter Wiederholungen mit reduzierte Menge an Kohlenhydrate fest. Mitchell et al. (16) konnten mit reduzierter Kohlenhydratmenge bei gleichem Entladeprotokoll keine Unterschiede der Gesamtwiederholungen bei Kniebeugen, Beinpresse oder Beinstrecken verzeichnen. In einem Review von Lambert & Flynn (14) zur Arbeit von Mitchell et al. (16) mutmaßen die Forscher das kurze Satzpausen, ein Training bis zum Muskelversagen und die damit einhergehende schnelle Übersäuerung der Muskulatur mehr der Grund für ausbleibende Unterschiede in den Leistungsprotokollen sei als die Verfügbarkeit von Kohlenhydraten. Auch wurde das Training „fasted“ also mit anzunehmen geringem Blutzuckerspiegel durchgeführt, was sich (wie wir bereits gelesen haben) ebenfalls auf Leistungswerte niederschlagen kann (27-30).
Passend hierzu ergab eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung an Bodybuildern, dass eine Nährstoffkombination aus Protein, Kohlenhydraten und Kreatin, verabreicht vor und nach dem Training, einer gleichen Gabe morgens und abends in Hinblick auf die Zunahme an fettfreier Masse über 10 Wochen deutlich überlegen war (26). Isenmann et al. (26) stellten mit einer Gabe von Kohlenhydraten und Protein vor Belastung positive Effekte auf die Regeneration in Aussicht (26). Ebenfalls interessant erscheint hierzu die Untersuchung von Haff et al. (10). Die Forscher befassten sich mit den Auswirkungen einer Kohlenhydrataufnahme während einer ersten Trainingseinheit bevor 4 Stunden später eine weitere Krafttrainingseinheit absolviert wurde. Die Kohlenhydrat-Gruppe verzeichnete am Ende insgesamt mehr Sätze sowie mehr Wiederholungen.
All den positiven Meldungen stehen dennoch auch Untersuchungsergebnisse mit ausbleibenden Auswirkungen von Kohlenhydraten auf die Performance gegenüber. (8-12)
Trainingsdauer und Volumen („Workload“)
In Studien steht man vor dem Problem der Vergleichbarkeit. Wie oben bereits erwähnt, ergeben sich Unterschiede im Trainingsaufbau für Krafttraining und Muskelhypertrophie. Ebenso unterschiedlich fallen dementsprechend auch Ergebnisse zu Effekten einer Verabreichung von Kohlenhydraten aus.
Generell lässt sich festhalten, dass bei einer „Standard“ Kohlenhydrataufnahme von bereits ~55% täglich eine zusätzliche Aufnahme von Kohlenhydraten erst ab einer Belastungsdauer von mehr als 50 Minuten und einem Trainingsvolumen von mehr als 10 Sätzen pro Muskelgruppe bei einer Intensität von 50-75% 1-RM sinnvoll erscheint. Untersuchungen die außerhalb dieser Parameter durchgeführt wurden, berichten von ausbleibenden Effekten von Kohlenhydraten auf die Performance.
Fazit
Trainingsumfang, Trainingsdauer und Trainingsintensität entscheiden darüber, wie relevant die Kohlenhydratverfügbarkeit für echte Leistungswerte zu sein scheint. Auch stehen Vorteile eines gezielten Timings von Kohlenhydraten zur Belastung im Raum. Da auch gegenläufige Studienergebnisse existieren und da es schwierig erscheint, Studienergebnisse aufgrund unterschiedlichster Variablen zu vergleichen, kann noch keine endgültige Aussage zur essentiellen Rolle von Kohlenhydraten für Leistungswerte im Kraft- und Hypertraining getroffen werden. Ein gewisser Effekt erscheint wahrscheinlich, weshalb es durchaus Sinn macht, eine angemessene Menge an Kohlenhydraten für maximierte Leistung zur Verfügung zu stellen.
Kohlenhydrate und trainingsbedingte Anpassungen
Insulin wichtiger Faktor ABER
Der Verzehr von Kohlenhydraten führt zur Ausschüttung von Insulin. Dies wiederum setzt einen zellulären Prozess in Gang, der die Glukoseaufnahme fördert und Muskelproteinabbau hemmt.
Interessant für Bodybuilder ist die gleichzeitige Aufnahme von Kohlenhydraten und Aminosäuren/Protein, da dies die Insulinausschüttung im Vergleich zu einer Einzelgabe Kohlenhydraten oder Protein stärker erhöht (38,39). Allerdings geht man davon aus, dass die positiven Auswirkungen von Insulin auf die Muskelproteinsynthese bei gleichzeitiger Gabe mit Aminosäuren oder Protein (über einen verbesserten Transport der Aminosäuren in die Muskulatur) (40-42) und die Unterdrückung des Muskelproteinabbaus (über das Ubiquitin-Proteasom-System) durch Insulin alleine, ab einer gewissen Menge an Insulin gesättigt sind (43). In der Literatur finden sich hierzu Mengen um 30 IU/ml an, ab denen keine weiteren Effekte auf die Muskelproteinsynthese oder den Muskelproteinabbau mehr zu verzeichnen sind. (36, 37)
Auf die Frage wie viel Protein und oder Kohlenhydrate man für besagte 30 IU/ml Insulin aufnehmen muss findet sich in der Literatur keine klare Angabe. Einmal ist die Rede von 0,3g Protein pro Kilogramm Körpergewicht aus Milchprotein und 0,15g Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht aus Maltodextrin. Andere Untersuchungen zeigen, dass bei einer zusätzlichen Gabe von 0,15g/kg/kg oder 0,6g/kg/kg Kohlenhydrate nach dem Training in der 6-stündigen Erholungsphase die Muskelproteinsynthese nicht stärker ansteigt als mit 0,3g/kg/kg Protein ohne Kohlenhydratgabe (45). Auch Staples et al. (46) konnten mit 50g Kohlenhydraten zu einer 25g Gabe Protein weder einen zusätzlichen Anstieg der Muskelproteinsynthese noch eine stärkere Unterdrückung des Muskelproteinabbaus feststellen.
Niedrige Glykogenbestände ein Problem?
Inwieweit volle Muskelglykogenspeicher wichtig für Bodybuilder sind wird diskutiert. AMPk, mTORC1 als Signalgeber oder die Muskelproteinsynthese an sich veränderten sich bei Camera et al. (44) mit leeren Speichern im Vergleich zu vollen Speichern nicht. Auch bei einer Gabe Protein und/oder Kohlenhydraten wurde keine Unterschiede auf mTORC1 und die Muskelproteinsynthese in Abhängigkeit vom Füllstatus der Muskelglykogenspeicher festgestellt. Demgegenüber stehen Ergebnisse, die aufzeigen, das mit niedriger Glykogen-Verfügbarkeit AMPk hochreguliert wird, was wieder dem mTOR-Signalpfad hemmt. (56,57)
Es gibt Hinweise auf gehemmte Hypertrophie-Effekte mit niedrigem Glykogenstatus (58,59). Hinzu kommen mögliche negative Einflüsse einer dauerhaften Glykogenarmut:
- auf das Immunsystem (60)
- hinsichtlich einer reduzierte Oxidation von Kohlenhydraten während des Trainings (60)
- hinsichtlich dem aufrechterhalten der Trainingsintensität (60)
- hinsichtlich einer erhöhten Oxidation von Muskelproteinen (60)
Fazit
Insulin vermittelt positive Effekte auf den Proteinstoffwechsel im Sinne einer geförderten Proteinsynthese aber auch einer Hemmung des Proteinabbaus. Inwieweit man hierfür explizit Kohlenhydrate nach sportlicher Betätigung zuführen muss, oder ob schon der Insulinanstieg aus einer moderaten Gabe eines Proteins mit hohem Insulin-Index ausreicht, ist derzeit nicht klar belegt. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte eine Menge von mindestens 0,15g/kg/kg Kohlenhydrate nach sportlicher Belastung zuführen. Die Auswirkung von Insulin auf die Muskelproteinsynthese wird generell erst bedeutsam, wenn gleichzeitig auch essentielle Aminosäuren verfügbar sind (47,48). Stetig niedrige Glykogenspeicher sein Eigen zu nennen, birgt einige potenziell negative Effekte und sollte aus diesem Grund bei Kraftsportlern und Bodybuildern vermieden werden.
Kohlenhydrat-Manipulation und Körperzusammensetzung
In den letzten Jahren wurde sehr viel im Bereich Diätformen geforscht und gemutmaßt. Die in der Fitnessszene wohl nach wie vor bekannteste Debatte „low-fat“ vs. „low-carb“ wurde genau genommen von Beginn an grundlos geführt.
Gründe:
- An erster Stelle entscheidet das Kaloriendefizit, ob der Körper auf die Fettreserven zurückgreifen muss.
- Eine ausreichende Menge Protein ist weiter für den Diäterfolg sowohl bei kohlenhydrat- als auch bei fettbetonten Diäten ein entscheidender Faktor (63).
- Die beste Ernährungsform ist die, die der Anwender am leichtesten durchhalten kann.
- Der Bedarf und nicht eine theoretische Vorgabe bestimmen über die richtige Kohlenhydratmenge
So zeigte eine Meta-Analyse von Hall und Guo (64), dass der Vergleich von kohlenhydratreduzierten und fettreduzierten Diäten in 32 Studien bei übergewichtigen/fettleibigen Probanden mit einem angeglichenen Proteingehalt keinen Sieger zwischen den beiden Diätformen hervorbrachte (64). Selbst, wenn die Untersuchung so ausgeführt wird, dass sie auf den vermeintlichen Genotyp (verstoffwechselt besser KH als F und umgekehrt) Rücksicht nahm, konnte mit einem angeglichenen und ausreichenden Proteingehalt kein Vorteil einer der beiden Diäten festgestellt werden (65).
Großes Manko hier natürlich der fehlende Bezug zu gesunden, sportlich ambitionierten Probanden mit Krafttraining, weshalb man zur Meinungsbildung auch auf andere Daten zurückgreifen muss. Leider finden sich nur sehr wenige Untersuchungen mit wirklichem Bezug. Mit Krafttraining konnten bei trainierten Probanden mit einer ketogenen Diät oder einer kohlenhydratreichen Ernährung bei gleichem Proteingehalt keine Vorteile in Hinblick auf fettfreie Masse mit einer der beiden Diätformen festgestellt werden. (90) Vagas et al. (66) untersuchten ebenfalls trainierte Probanden. Sie dokumentierten bei angeglichenem Proteingehalt (~2g/kg pro Tag), im Rahmen einer 8-wöchigen Untersuchungsdauer (4 Trainingseinheiten pro Woche), mit einem leichten Kalorienplus! und Kohlenhydratmengen von 55% oder <10% in beiden Gruppen eine Abnahme an Fettmasse, die jedoch nur in der ketogenen Gruppe signifikant war. Gleichzeitig erhöhte sich nur in der Gruppe mit mehr Kohlenhydraten die fettfreie Masse um ~1kg. Eine Dokumentation zu Leistungsmarkern, Hunger- und Sättigungsverhalten uvm. blieb hier leider aus.
Fazit
Für die Manipulation der Körperzusammensetzung spielen in erster Instanz andere Gegebenheiten größere Rollen als die Kohlenhydratzufuhr. Starre Vorgaben gepresst in ein bestimmtes „Diätkonzept“ entbehren dabei jeglicher Logik. Analog des hier deutlich fortschrittlicheren Ansatzes im Ernährungskonzept HBN (Human Based Nutrition) sollte sich insbesondere bei Sportlern die Kohlenhydrataufnahme am tatsächlichen Bedarf für eine optimale Körperzusammensetzung orientieren.
Kohlenhydrat-Manipulation bei Wettkampf-Bodybuildern
Sie kommen aus einer lang andauernden (für gewöhnlich 16-20 Wochen) der Kalorien- und Kohlenhydratrestriktion mit dem Ziel, den Körperfettgehalt einerseits zu minimieren und fettfreie Masse andererseits bestmöglich zu erhalten – Wettkampf-Bodybuilder!
Am Ende geht es diesen Sportlerinnen und Sportlern um die reine Optik am Tag X des Wettkampfs. Hierzu werden in den letzten Tagen vor dem Event zur Diät nochmals Maßnahmen getroffen, die einen einerseits trockenen und harten und andererseits prallen Look der Muskulatur gewährleisten. Die beliebte V-Optik soll dabei nicht von Blähungserscheinungen in der Bauchregion gestört werden. (49)
Um dieses zu erreichen, greifen Wettkampfsportler auf verschiedene Strategien zurück die allesamt in einer sog. Peak-Week vereint werden (62, 68, 69, 70 71). Wie eine solche Peak-Week aussehen kann beschreibt ausführlich ein weiterführender Beitrag „Peak-Week – Die letzte Woche vor dem Wettkampf auf dem Prüfstand“ in Teil 1 (72) und Teil 2 (73).
Fazit
Für die letzte Vorbereitungswoche auf einen Wettkampf bedienen sich Bodybuildern nochmals völlig eigener Strategien für die gewünschte Optik, in die gerne auch die Manipulation von Glykogenspeichern integriert wird.
Resümee
Der menschliche Körper ist in der Lage eine gewisse Menge an Kohlenhydraten zu speichern. Ein großer Teil davon findet sich in den Muskeln wieder. Dies sicher nicht ohne besonderen Grund, sondern weil er dort als unmittelbarer Bestandteil der schnellen Energiebereitstellung am ehesten von Nöten ist.
Die Frage nach dem „wie viel“ lässt sich bei Kohlenhydraten nicht pauschal beantworten. Die Antwort hängt ab von einer Vielzahl an Variablen im Training aber auch vom generellen Energiestatus einer Person ab.
Unschlüssigkeit besteht hinsichtlich des Einflusses der Kohlenhydratverfügbarkeit auf akute Trainingsleistungen. Ein gewisser Bedarf scheint für eine gewisse Art der Belastung vorteilhaft zu sein. Die Wissenschaft ist jedoch weit weg davon, konkrete Empfehlungen auf spezifizierte Trainings-Schemata ausgeben zu können.
Was den Proteinstoffwechsel und damit die Rolle von Kohlenhydraten auf Muskelhypertrophie angeht, bestehen mehrere „belegte“ Meinungen. Die einen gehen davon aus, Kohlenhydrate wären nötig um via Insulin den Proteinstoffwechsel zu optimieren. Die anderen sehen im richtigen gewählten Protein bereits ausreichend Einfluss auf den Insulinspiegel für maximierte Effekte auf Proteinsynthese und Proteinabbau.
Potenziell negative Einflüsse versprechen stetig niedrige Glykogenspeicher für Krafttrainierende und Bodybuilder.
Was die Manipulation der Körperzusammensetzung angeht, wurde die Stellschraube Kohlenhydrate lange Zeit „missbraucht“, um darüber Diätkonzepte zu vermarkten. Heute weiß man, dass die sich wahren Stärken einer erfolgreichen Reduktionsphase mit hohem Verlust an Körperfett und gutem Erhalt an fettfreier Masse wie folgt definieren:
- Festlegung eines angemessenen Kaloriendefizits
- ausreichende Versorgung mit Aminosäuren sowie weiteren essentiellen Nahrungsbestandteilen
- Verabreichung von Kohlenhydraten nach tatsächlichem Bedarf
- Durchführbarkeit im Alltag
In Summe ergibt sich ein Bild das vollständigen Kohlenhydratentzug für Kraftsportler und Bodybuilder ausschließt und das zum maßvollen, nicht übertrieben Einsatz dieses Makronährstoffes aufruft. Sportlerinnen und Sportler müssen gerade beim Thema Kohlenhydrate lernen, mehr mit sich selbst zu arbeiten und sich weniger mit Informationen von außen und Erfahrungen anderer zu beschäftigen. Wenn eines aus diesem Beitrag klar hervorgeht, dann die Tatsache, dass ein so gängiger und alltäglicher Makronährstoff wie Kohlenhydrate für die Zielgruppe Kraftsportler und Bodybuilder noch nicht einmal in Ansatz so untersucht wurde, wie es nötig ist, um feststehende Aussagen zum optimalen Umgang treffen zu können.
Das Konzept, das sich nach Sichtung aller Punkte als Fortschrittlichstes im Umgang mit Kohlenhydraten erwiesen hat, ist HBN (Human Based Nutrition). Es orientiert sich insgesamt am tatsächlichen Bedarf und unterscheidet innerhalb des Trainingsaufbaus nochmals nach den jeweils trainierten Muskeln zur Festlegung einer individuellen Kohlenhydratempfehlung. Individuelle Ansätze wie dies sind es, auf die sich Kraftsportler und Bodybuilder sich als Basis stützen sollten um weiterführend eine für sich optimierte Strategie auszuarbeiten.
NEU
Alle Ansätze und Inhalte aus HBN gibt es jetzt auch als Video-Reihe mit dem Namen GYM BOOSTER
Sportlicher Gruß
Holger und Daniel
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Quellen
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- https://www.peak.ag/de/classic/peak-blog/peak-week-die-letzte-woche-vor-dem-wettkampf-auf-dem-pruefstand-teil-1
- https://www.peak.ag/de/classic/peak-blog/peak-week-die-letzte-woche-vor-dem-wettkampf-auf-dem-pruefstand-teil-2